Monatsarchiv für Juli 2008

Marta Heberle: Erfurter Latrinensturz (26.Juli 1184)

Samstag, den 26. Juli 2008

„Wäre es nicht so schrecklich, würde ich ja lachen – die feinen Herren haben es nicht anders verdient, aber ach zu schrecklich war es dann doch.
Und der König, der König war auch da, aber er ist nicht gestürzt. Ganz hilflos saß er da oben in einer Mauernische und kam nicht herunter – ganz wie ein kleines Kind, oder nein, wie eine Katze, die nicht mehr vom Baum herunter kommt. Hihi – aber nein, über ein solches Unglück sollte niemand lachen.“
„Beruhige Dich Marta! Was ist denn los, Du bist ja ganz durcheinander. Ich habe auch gehört, dass der König in die Stadt kommen wollte, aber damit haben wir doch nichts zu tun. Halt Dich bloß fern von diesen feinen Leute, das gibt doch nur Ärger und Scherereien!“
„Nein, mit denen lass ich mich nicht ein, was man davon hat, haben wir ja an der Hedwig gesehen – einfach sitzen gelassen hat der hohe Herr sie als sie schwanger war. Erst hat er sich mit dem jungen Ding vergnügt und dann hat er sie in den Dreck getreten – nein, nein so etwas passiert mir nicht!“
„Aber was war denn nun?“
„Vorhin am Brunnen habe ich die Gunda getroffen, die hilft doch manchmal in der Stadt in einer Schenke in der Küche aus, du weißt schon, wenn hoher Besuch erwartet wird. Und die Gunda hat mir erzählt, was heute in der Stadt passiert ist. Die feinen Herren waren alle auf der Burg versammelt, der König war auch da – stell Dir vor der König! Und sie alle sind in die Latrine gefallen!“
„In die Latrine?“
„Ja, der Boden ist gebrochen und dann saßen sie alle drunten in der stinkenden Grube! Nur der König nicht, der ist wie auf einem Thron im Gemäuer sitzen geblieben.“
„Gott beschütze den König!“
„Ja, ihm ist nichts geschehen, aber er ist auf sein Pferd gesprungen und aus der Stadt galoppiert, sobald er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Aber er hat viele seiner hohen Herren verloren. Gunda sagte, sie sind in der Scheiße erstickt. Stell Dir das einmal vor!“

Am 26. Juli 118 kam auf der Burg in Erfurt der königliche Hoftag unter Heinrich VI. zusammen, abweichende Berichte nennen die Domprobstei des Erfurter Marienstiftes als Versammlungsort. Heinrich VI., war der zweite Sohn Kaiser Friedrich I. Barbarossa und wollte in Erfurt einen Streit zwischen dem Mainzer Erzbischof Konrad I. und Landgraf Ludwig III. von Thüringen schlichten.
Aus diesem Anlass versammelte sich der König mit einem großen Gefolge und zahlreichen Bürgern von Erfurt in der erzbischöflichen Burg der Stadt. Dort traten sie im oberen Stockwerk, dessen Bodenbalken alt und morsch waren zusammen. Unter dem Gewicht der versammelten Menschen gaben die Balken schließlich nach, sodass zahlreiche Männer eine oder sogar zwei Etagen hinabstürzten. Alle, die nicht in den Fensternischen saßen, fielen in die seit längerer Zeit nicht entleerten Latrine, die sich unter dem Saal befand, und erstickten oder ertranken, andere wurden von herabstürzenden Balken erschlagen. Ein Teil der Verunglückten konnte mit großem Aufwand gerettet werden.
Zu den Opfern des Latrinensturzes von Erfurt gehörten unter anderem Heinrich von Schwarzburg, Friedrich von Abenberg, Burkard von Wartberg und Beringer von Mellingen.
König Heinrich VI. stürzte nicht hinab, da er in einer der Fensternischen gesessen hatte, von dort musste er mit Hilfe von Leitern gerettet werden.
Es wird berichtet, der König sei von diesem Ereignis dermaßen geschockt gewesen, dass er Erfurt umgehend verlassen habe.

Eine aufgeregte Menge in Florenz: Tod Papst Innozenz VIII. (25. Juli 1492)

Freitag, den 25. Juli 2008

„Er hat Recht gehabt! Wieder! Hat er es nicht gesagt? Der Papst würde sterben! Dieser Mann ist ein Prophet!“

„Nur die Umkehr kann uns noch retten! Der Weltenbrand naht.“Papst Innozenz VIII.
„Kehret um, kehret um, wie es der große Savonarola Euch heißt. Nach Lorenzos hat er nun auch Innozenz’ Tod vorhergesagt.“

„Alles Unfug. Er hat nur gesagt, dass der Papst dieses Jahr noch sterben werde. Wie riskant war sie wohl diese ‚Prophezeiung’ angesichts des schlechten Gesundheitszustandes des Heiligen Vaters.“

„Die Welt ist verderbt und verloren. Es gibt keine Rettung mehr vor dem Weltenbrand. Sicher nur noch wenige Jahre, wenn das Jahrhundert zu Ende geht, dann geht es auch mit der Welt zu Ende – und mit uns. Nur er kann uns noch führen und retten, der große Savonarola.

„Krankheiten und Tod, Leid und Feuer. Alles hat er vorhergesehen. Ist er der wiedergekehrte Messias? Tuet Buße wie er es befielt.“

Am 25. Juli 1492 starb Papst Innozenz VIII. Angeblich war sein Sterbedatum vom Bußprediger Girolamo Savonarola exakt vorhergesagt worden, wie dieser für dasselbe Jahr auch schon den Tod von Lorenzo Medici vorhergesagt hatte.
Wahrscheinlich hatte Savonarola aber nur vorhergesagt, dass Innozenz noch im selben Jahr sterben werde, in dem auch Lorenzo Medici gestorben war.
Papst Innozenz war gesundheitlich schwer angeschlagen und so war die Vorhersage für Savonarola nicht allzu riskant, zumal der Zulauf, den sie im Eintrittsfall versprach ein kleines Risiko sicher wert war.
Der Papst, mit bürgerlichem Namen Giovanni Battista Cibo hatte den Stuhl Petri seit 1484 inne und war auf diesen vor allem durch geschickte Bestechung und Erpressung gewählt worden. Er war sicher ein Sinnbild für die Verderbtheit, die Savonarola im Klerus zu erkennen glaubte. An die Macht gelangt durch illegale Methoden und weniger durch den Einfluss den Heiligen Geistes, wie dies laut Kirchenlehre im Konklave der Fall sein soll, schwach und unfähig als Papst, mehr den fleischlichen Gelüsten als seinen geistlichen Aufgaben zugewandt - dieses Bild gab Innozenz ab. Er zeugte deutlich mehr als ein Dutzend Kinder. Auch liebte er den Luxus, was ihn immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten brachte, soweit, dass er die Mitra und die Tiara verpfänden musste.
Kirchenpolitisch fiel er vor allem durch seine Förderung der Inquisition auf, was sich in seiner Bulle Summis desiderantes affectibus, der sog. „Hexenbulle“ manifestierte, die dem frühmittelalterlichen Canon episcopi, in dem die Existenz von Zauberei und Hexen von der Kirche verneint und dem Aberglauben der Kampf angesagt worden war, entgegenstand. In seine Amtszeit fällt auch die Ernennung von Heinrich Institoris und Jacob Sprenger zu Inquisitoren für den deutschsprachigen Raum, was zu einem deutlichen Anstieg der Hexenprozesse führte. Auch fand sich die Bulle immer wieder als Teil und/oder Grundlage im von Heinrich Institoris herausgegebenen Hexenhammer.
Inwiefern Innozenz selbst dem Glauben an die Hexerei anhing ist umstritten. Angeblich soll er noch kurz vor seinem Tod Infusionen mit dem Blut von drei zehnjährigen Knaben erhalten haben, wovon er sich die Erlangung derer Jugend versprach.Der Bußprediger Girolamo Savonarola
Dem Papst gegenüber stand der charismatische Bußprediger Girolamo Savonarola, der in seinen Methoden aber nicht weniger zimperlich war als der Papst und in seinen Ansichten kaum weniger extrem.
Savonarola studierte zunächst Medizin, bevor er sich entschied, dem Dominikanerorden beizutreten. Schon bald predigte er gegen die „Verderbtheit“ der Welt, vor allem des Adels und des Klerus, was ihm, nach einer kurzen Phase mit wenig Zulauf, immer mehr die Massen zutrieb. Natürlich setzte ihn dies Konflikten mit den kritisierten Gruppen aus, vor allem mit den Päpsten, nach Innozenz’ Tod auch mit dessen Nachfolger Alexander, und aus dem Adel vor allem mit der in Florenz herrschenden Familie der Medici.
Nachdem 1494 die Franzosen in Florenz einmarschiert waren, trugen Savonarola und seine Anhänger maßgeblich zur Vertreibung der Medici aus der Stadt bei und der Prediger brachte de facto die Macht in der Stadt an sich.
In der Folge wurde Savonarola immer radikaler und wandte sich mehr und mehr gegen weltliche Dinge. Er veranlasste 1497 seine Anhänger zu massiven Plünderungen in Florenz, bei denen alle „Luxusgüter“ vernichtet werden sollten, angefangen von Büchern, deren Inhalt nicht seinen Vorstellungen entsprach, bis hin zu Schmuck, Kunstwerken, edler Kleidung und Musikinstrumenten. So fanatisch waren seine Anhänger, dass zum Beispiel der zu ihnen zählende Maler Sandro Botticelli seine eigenen Werke den Flammen überantwortete – oder wie andere Quellen sagen, nicht weil er Savonarola anhing, sondern, weil er wie viele andere auch, Angst vor der Gewalt der aufgestachelten Anhänger des Predigers hatte.
Sein zunehmender Fanatismus raubte Savonarola aber nach und nach viele Anhänger und vor allem auch die Unterstützung des französischen Königs Karl VIII. mit dem zusammen er noch wenige Jahre zuvor gegen den Papst gestanden hatte.
Im Mai 1497 wurde er von Papst Alexander VI. exkommuniziert und als Häretiker angeklagt.
Nachdem er auch in Florenz an Unterstützung verloren hatte konnte er schließlich gefangen genommen werden und wurde am 23. Mai 1498 hingerichtet. Er wurde zunächst erhängt und sein Körper danach verbrannt.
Genau 500 Jahre später leitete Papst Johannes Paul II. den Seligsprechungsprozess für Savonarola ein, die Vorstufe der Heiligsprechung – eine Rolle in der ihn auch schon Luther gesehen hatte, der einmal äußerte: „Ich verehre Savonarola als einen Heiligen“.

Quintus Julius Pecunius: Brand Roms (18. Juli 64)

Freitag, den 18. Juli 2008

Was riecht denn so seltsam? Hat Rufus die Kohlebecken nicht ordentlich abgedeckt bevor er sich zur Ruhe begeben hat? Dieser Hund, wenn ich hier nicht alles selber mache, wird dieses Haus untergehen. Heutzutage ist auf das personal einfach kein Verlass mehr!
Morgen steht mir ein anstrengender Tag im Senat bevor und jetzt geht meine kostbare Nachtruhe dahin, weil ich die Kohlebecken kontrollieren muss.
Rufus! Wo steckt er nur, gewöhnlich hört er aufs Wort. Rufus! Vielleicht hat er selbst gemerkt, dass er am Abend einen Fehler gemacht hat und befindet sich schon auf einem Rundgang durch das Haus.
Aber Moment, der Geruch wird immer stärker und was soll dieser Lärm? Kommt denn diese Stadt nie zur Ruhe. Sobald die Sitzung im Senat morgen beendet ist, werde ich Claudia aufs Land folgen, sie hatte Recht damit, die Sommermonate auf dem Land zu verbringen. Morgen früh soll sich Rufus gleich mit den anderen Sklaven um die Reisevorbereitungen kümmern.
Aber nun reicht es wirklich! Rufus, sorg für Ruhe da draußen – es ist mitten in der Nacht!
Nichts, keine Reaktion, da muss ich nun selbst nach dem rechten sehen. Was hat das Volk nur heute wieder aufgebracht, es ist auch nichts recht, was der Senat tut, immer müssen wir Senatoren damit rechnen vom Pöbel belästigt zu werden, aber heute treiben sie es gar zu wild. Rufus! Na warte, der kann was erleben, wenn ich ihn in die Finger bekomme.
Hm, mir scheint als ob der Geruch noch stärker geworden ist und dort, durch die Ritzen des Fensterladens, da ist ein unruhiges Licht zu sehen, rötlich oder vielleicht gelblich, es knackt und knistert. - Feuer! Feuer!
Rufus! Es brennt!
Wasser, ich brauche Wasser! Alle aufwachen, es brennt! Wir müssen retten was zu retten ist – das schöne Haus! Beim Jupiter!

Der Brand von Rom im Jahr 64

Während der Regentschaft Neros kam es vom 18. Juli bis zum 26. Juli 64 zum so genannten Großen Brand von Rom. Dabei soll laut Tacitus fast die ganze Stadt zerstört worden sein, lediglich vier Stadtbezirke seinen unbeschädigt gewesen, während 14 Bezirke vollständig zerstört worden seien und weitere sieben Bezirke große Schäden zu vermelden gehabt hätten.
Im Großen Brand von Rom wurden unzählige Kunst- und Kulturschätze vernichtet, zahllose Menschen kamen zu Tode, während viele Überlebende zu Obdachlosen wurden.
Ausgebrochen war der Brand bei sehr trockener und windiger Witterung in der Umgebung des Circus Maximus, wo in einigen Buden brennbare Waren gelagert worden waren. Schon der kleinste Funke hatte bei diesen Witterungsbedingungen ausgereicht, um einen derartig verheerenden Brand auszulösen, der sich, durch den Wind vorangetrieben, rasend schnell ausbreiten konnte.
Unter den Bewohnern Roms brach Panik aus, viele verließen fluchtartig ihre Wohnungen und Häuser und sorgten mit ihrem überstürzten und unkoordinierten Aufbruch für verstopfte Straßen, in denen bald kaum noch ein Durchkommen war. Auf diese Weise wurden die Löscharbeiten erheblich beeinträchtigt. Maßnahmen wie Gegenbrände und Brandschneisen zeigten zunächst kaum Erfolg, auf Grund der chaotischen Situation in Rom kam schon bald das Gerücht auf, Nero lasse ganz gezielt Teile der Stadt abbrennen. Erst am sechsten Tag gelang es dem Brand Einhalt zu gebieten, doch schon bald stellte sich heraus, dass das Feuer erneut ausgebrochen war. Diese Tatsache bestärkte die Gerüchte, die sich um Nero rankten. Immer wieder wurde vermutet, Nero habe für den Brand gesorgt, um eine neue Stadt errichten zu können, der er seinen Namen geben wolle, um auf diese Weise unsterblich zu werden.
Eindeutig zu belegen ist die von zahlreichen römischen Geschichtsschreibern vertretene These der Brandstiftung nicht, doch schlagkräftige Gegenbeweise zu dieser Vermutung konnten auch nicht vorgebracht werden, sodass bis heute unklar ist, wie es zu diesem verheerenden Brand gekommen ist.
Nero selbst lenkte geschickt von seiner Person ab und fand in den Christen der Stadt Rom einen geeigneten Sündenbock. Es setze eine reglerechte Hatz auf die Anhänger des noch recht jungen Glaubens ein. Gefangengenommene Christen wurden auf das Grausamste hingerichtet.
Um den kostenintensiven Wiederaufbau Roms zu finanzieren, begann Nero damit, Spenden von Privatleuten einzufordern und Provinzen auszuplündern.
Nicht zuletzt wegen der Ereignisse, die im Zusammenhang mit dem Brand von Rom stehen, wird die Regentschaft Kaiser Neros als Schreckensherrschaft bezeichnet.

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