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Nachrichtensendung: Frauenwahlrecht in Appenzell-Innerhoden (25. März 1990)

Dienstag, den 25. März 2008

Ein Ereignis, das einer Sensation gleichkommt, haben wir heute aus dem Schweizer Kanton Appenzell-Innerhoden zu vermelden. Mit dem heutigen Tage hat das Bundesgericht angeordnet, auch in diesem Kanton der weiblichen Bevölkerung das Stimmrecht zuzugestehen und somit den bisherigen, rückständigen Status aufzuheben.
Die Reaktionen auf diesen Beschluss des Bundesgerichts fallen in der Bevölkerung des Kantons sehr unterschiedlich aus:

Beat Zinsli: Jetzt ist es soweit, das schwache Geschlecht mischt sich in die Politik ein, das kann nur den Untergang bedeuten.

Renata Gruber: Ein Jubeltag, ein Triumph, ein Grund zum Feiern!

Elisabeth Jenni: Die Gerechtigkeit hat heute gesiegt und wir alle wurden endlich zu gleichwertigen Bürgern erhoben!

Urs Bircher: Ja, so soll es denn sein. Was das nun verändert weiß ich nicht, da wird wohl nicht viel passieren, also keine gewaltigen Unterschiede meine ich zu früher. Ich glaube nicht, dass sich das Stimmverhalten von Frauen und Männern unterscheidet, am Ende wollen wir doch alles das Gleiche erreichen, oder nicht?!

Am 25. März 1990 bestätigte das Bundesgericht der Schweiz die Verfassungswidrigkeit der Kantonsverfassung von Appenzell-Innerhoden, sodass auch hier das auf eidgenössischer Ebene beschlossene Stimmrecht für Frauen eingeführt werden musste, was dann am 27. November 1990 auch tatsächlich geschah. Appenzell-Innerhoden war damit der letzte Kanton der Schweiz, der das Frauenstimmrecht einführte.
Insgesamt ist die Schweiz eines der letzten Länder in Europa, die das Stimmrecht für Frauen eingeführt haben und damit den Frauen die vollen Bürgerrechte zuerkannte. Erst am 16. März 1971 wurde das Frauenstimmrecht in der Schweiz formell wirksam, bis es allerdings in allen Kantonen durchgesetzt wurde, sollte, wie das Beispiel Appenzell-Innerhoden zeigt, noch rund 20 Jahre dauern.
Die Hauptursache für diese Verzögerung ist im politischen System der Schweiz zu finden, denn bei Änderungen der Verfassung ist die stimmberechtigte Bevölkerung zur Abstimmung aufgerufen. Um also das Stimmrecht für Frauen einzuführen, bedurfte es einer Mehrheit der stimmberechtigten männlichen Bevölkerung der Schweiz.

Ticker-Eilmeldung: Verhaftung des SRP-Bundestagsabgeordneten Franz Richter (20. Februar 1952)

Mittwoch, den 20. Februar 2008

Das Bundeshaus, 1949 Sitz des Deutschen Bundestages. Copyright Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bestand Hehmke-WintererSRP-Bundestagsabgeordneter Dr. Franz Richter festgenommen +++ Wurde als NS-Verbrecher Fritz Rößler enttarnt +++ Festnahme während Bundestagsdebatte +++ Widersetzte sich der Verhaftung nicht +++ Immunität zuvor aufgehoben +++ Anklageerhebung in Kürze +++ Eingeleitetes Verbotsverfahren gegen SRP wird fortgesetzt +++ Entscheidung im Herbst erwartet

Dr. Franz Richter war der Tarnname des NS-Kriegsverbrechers Fritz Rößler, der zunächst als Schulungsleiter, dann als Gauhauptstellenleiter und schließlich 1945 im Reichspropagandaministerium für das NS-Regime tätig war.
Nach dem Krieg legte er sich den eingangs erwähnten Tarnnamen zu und blieb zunächst unentdeckt.
Ihm gelang es sogar im Rahmen seines beruflichen Neuanfanges nach 1945 als Lehrer in den Schuldienst eingestellt zu werden, wo er allerdings schon recht früh wegen seiner rechtsradikalen Gesinnung auffiel und nach mehrfachen entsprechenden Äußerungen suspendiert wurde.
Prozentuale Stimm- und Sitzverteilung der Bundestagswahl von 1949
Er war auch als Politiker für die DKP-DRP (Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei) tätig und zog für diese am 14. August 1949 in den Deutschen Bundestag ein – zwei Wochen später wurde er als Nachfolger von Adolf von Thadden Vorsitzender der Partei in Niedersachsen.
Im Zuge des Zusammenschlusses der DKP-DRP mit der NPD (Nationaldemokratische Partei, nicht zu verwechseln mit der heutigen NPD) zur DRP (Deutsche Reichspartei) verließ er die Partei und trat der SRP bei, einer Absplitterung der DKP-DRP, deren Mitgliedern selbst das extremistische Gedankengut der DKP-DRP/DRP nicht weit genug ging, und saß fortan für diese im Bundestag.
Das Vorhandensein rechtsextremer Parteien im Bundestag nach den Wahlen von 1949 resultierte daraus, dass die 5%-Klausel erst zu den Wahlen des Jahres 1953 eingeführt wurde. So waren nach der Wahl von 1949 im Deutschen Bundestag 10 Parteien vertreten, darunter extremistische Parteien sowohl von rechts wie von links. Hierunter fanden sich sowohl die KPD als auch die DKP-DRP und nach deren Zersplitterung dieser eben auch die SRP.
Die SRP sah sich selbst in der Nachfolge der NSDAP und pflegte ein ähnliches Gedankengut. So fanden sich in ihrem Parteiprogramm Inhalte wie die Feststellung der „Notwendigkeit der Lösung der Judenfrage“ und die „Treue zum Reich“.
Ihre Machtbasis hatte die SRP in Niedersachen, wo es ihr bei den Landstagswahlen 1951 gelang, 11% der Stimmen zu bekommen. In einigen Wahlkreisen übersprang sie dabei sogar die 20%-Marke und in Verden wurde sie stärkste Partei.
Zum Zeitpunkt der Enttarnung und Verhaftung Rößlers war bereits ein Parteiverbostverfahren gegen die SRP eingeleitet worden, das mit dem Verbot der Partei und aller ihr nahestehenden Organisationen, dem Mandatsverlust aller ihrer Mitglieder, dem Einzug aller finanziellen Mittel der Partei und dem Verbot der Gründung einer Ersatzorganisation endete.
Bis heute ist das Verbot der SRP eines von nur zwei Parteiverboten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dem Verbot der faschistischen SRP folgte 1956 das Verbot der linksextremen KPD (Kommunistische Partei Deutschlands).
Rößler selbst macht nach der Abbüßung einer Haftstraße von 18 Monaten später noch als Redner auf faschistischen Kongressen von sich reden, so auf denen der „Europäischen Sozialen Bewegung“, einer Vereinigung internationaler faschistischer Gruppierungen, die 1951 unter Führung der italienischen MSI gegründet worden war – der sich bis zum Beginn der 90er Jahre offen zum Faschismus bekennenden Vorgängerpartei der Alleanza Nazionale, die unter Silvio Berlusconi zweimal als Koalitionspartner in die italienische Regierung einzog (1994 und 2001-2006).