Archiv der Kategorie ‘Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‘


Captain Beeglow im Gespräch mit dem Magazin Fish’n’Food: Dritter Kabeljaukrieg (19. Februar 1976)

Dienstag, den 19. Februar 2008

Captain Beeglow, wenn Sie auf die letzten 20 Jahre zurückblicken, würden Sie dann heute dem Satz zustimmen, dass die ausgewogene Ernährung unserer Kinder gefährdet ist?

Nein warum denn?

Nun ja, bei genauer Betrachtung der Lage muss man doch feststellen, dass es immer wieder zu Schwierigkeiten oder auch Engpässen bei der Beschaffung von Kabeljau kommt.

Ja, dass schon, dem stimme ich zu.

Und würden Sie dann nicht sagen, dass es passieren könnte, dass unsere Kinder keinen Fisch mehr essen, sich also nicht mehr ausgewogen ernähren? Da es schließlich dazu kommen könnte, dass auch die Fischstäbchenproduktion eingeschränkt wird und in den Schulkantinen keine Fischstäbchen mehr angeboten werden können, was wiederum dazu führen würde, dass unsere Kinder keinen Fisch mehr essen.

Tja, das kann ich nun nicht verstehen, da es ja auch noch anderen leckeren Fisch gibt und nicht nur Kabeljau, für Fischstäbchen kann man schließlich auch Seelachs verwenden. Aber Kabeljau ist ja nun mal das Beste was es so gibt, darum fische ich den ja auch.

Haben Sie denn damit eine Zukunft? Sieht es denn nicht eher so aus, als ob die britischen Fischer immer weiter aus den ertragreichen Fischgründen vertrieben werden und mit leeren Netzen nach Hause zurückkehren.

Sicherlich ist die Situation nicht leicht, aber ich hoffe doch, dass unsere Regierung nun endlich einmal für uns Fischer eintreten wird und damit nicht nur unsere Arbeit würdigt, sondern auch die heimische Fischversorgung schützt.

Kabeljau - Gadus morhua.

Das fiktive Interview mit Captain Beeglow spielt auf die Kabeljaukriege an, die in den Jahren zwischen 1958 und 1976 in der Hauptsache zwischen Island und Großbritannien geführt wurden.
Island, das einen erheblichen Teil seiner Einnahmen aus Fischereiprodukten, vornehmlich deren Export, erwirtschaftet beschloss im Jahr 1952 das 3-Seemeilen-Abkommen, das Großbritannien und Dänemark 1901 im bezug auf die isländischen Fischereigründe ausgehandelt hatten zu kündigen und stattdessen eine Schutzzone von 4 Seemeilen einzurichten. Dieser Schritt wurde auf Grund der modernisierten Fangflotten anderer Nationen als notwendig erachtet, um die isländischen Fischer und ihre Fangausbeute zu sichern, nicht zuletzt auch, um den Staatshaushalt nicht zu gefährden.
In der Folge boykottierte Großbritannien den Import von isländischem Fisch, so dass die isländischen Fischer neue Absatzmärkte erschließen mussten. Mit Hilfe leistungsfähigerer Kühlanlagen erschlossen sich die Märkte in den USA und Russland.
1958 kam es wegen drohender Überfischung zu einer erneuten Ausweitung der Schutzzone auf 12 Seemeilen, woraufhin britische Fischerboote innerhalb dieser Zone von Kriegsschiffen begleitet wurden. Nach einer Beschwerde Islands bei den Vereinten Nationen musste Großbritannien die neue 12-Seemeilen-Grenze akzeptieren und der Erste Kabeljaukrieg war beendet.
Anfang der 1970er Jahre war es erneut zu einem Einbruch der Fischbestände innerhalb der isländischen Hoheitsgewässer gekommen, sodass 1972 eine Ausweitung der Schutzzone auf 50 Seemeilen eingeführt wurde. Durch diese Ausdehnung fühlten sich vor allem Großbritannien und Deutschland benachteiligt, da Island nun rund 30% der Fischereigründe des Nordatlantiks kontrollierte. Ausländische Fischerboote, die in die 50-Seemeilen-Zone eindrangen mussten mit der Zerstörung ihrer Netze und sonstiger Fanggeräte rechnen.
Seinen Höhepunkt erreichte der Zweite Kabeljaukrieg als 1973 ein britischer Trawler von einem isländischen Wachboot beschossen wurde. Deutschland, dessen Fischer ebenfalls von Sabotageaktionen isländischer Fischer betroffen waren, wählte von Beginn an den diplomatischen Weg.Die Auseinandersetzung konnte schließlich dadurch beigelegt werden, dass Sonderrechte in Bezug auf den Fischfang im Nordatlantik gewährt wurden.
1975 wurde die Schutzzone um Island nochmals erweitert, da die bisherigen Maßnahmen keinen durchschlagenden Erfolg gebracht hatten. Bereits 1974 war die Ausweitung der Schutzzone auf 200 Seemeilen angekündigt worden. Dies geschah in Folge eines Urteilsspruchs des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, wo Deutschland und Großbritannien Klage gegen die isländische Ausweitung der Schutzzone eingereicht hatte. Die Richter erklärten, dass eine einseitige Ausdehnung der Schutzzone nicht rechtens sei, forderten die beteiligten Parteien aber gleichzeitig zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts auf. Island erkannte dieses Urteil aus Den Haag nicht an und verschärfte die Gangart durch die Ankündigung einer weiteren Ausdehnung der Schutzzone.
Als dieser isländische Beschluss 1975 umgesetzt wurde, schickte Großbritannien wiederum Kriegsschiffe zum Schutz der britischen Fischer in isländisches Hoheitsgewässer. Dennoch beschädigten die Isländer ausländische Fischerboote bzw. Trawler und rammten sogar ein britisches Kriegsschiff.
Im Rahmen dieses Dritten Kabeljaukrieges kam es am 19. Februar 1976 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Island und Großbritannien. Am 2. Juni 1976 akzeptierte Großbritannien schließlich die neue 200-Seemeilen-Grenze. Die Erträge der isländischen Fischer konnten in der Folge gesteigert werden.
Nach einem Abkommen der UN von 1982 können Fischereigrenzen inzwischen generell auf 200 Seemeilen ausgedehnt werden.

Ein schottischer Parlamentsabgeordneter: Das schottische Parlament stimmt dem Act of Union zu (16. Februar 1707)

Samstag, den 16. Februar 2008

That the Two Kingdoms of England and Scotland shall forever be United into One Kingdom by the name of GREAT BRITAIN.Treaty of Union 1707, Artikel 1

Die Wappen Englands und Schottlands

Nun ist es also passiert. Wir haben unserem eigenen Ende zugestimmt. Das schottische Parlament hat mit einer deutlichen Mehrheit den letzten Nagel in den eigenen Sarg geschlagen.
Its the end of an auld sang.
Aus und vorbei. Das Königreich Schottland war einmal und wird wohl nie mehr sein.
Von England zuerst unterdrückt, dann in den Abgrund laufen gelassen, und am Ende, als Schottland niederliegt, müssen wir unsere Seele, die Tradition des Löwen des Nordens, unsere Sprache, unsere Selbstachtung und unser wunderschönes Land für englisches Geld und ein paar wenige Sitze im neuen Parlament verkaufen.
Unsere Glorie ist verloren und so verklingt das letzte schottische Lied.

Am 16. Februar 1707 stimmte das schottischen Parlament dem Act of Union, dem Vertrag zur Vereinigung der Königreiche England und Schottland zu einem Königreich und der Zusammenlegung ihrer Parlamente in einem, zukünftig in London ansässigen, Parlament zu, in dem Schottland aber nur schwach vertreten sein sollte.
Schon länger wurden England und Schottland in Personalunion vom jeweiligen Monarchen regiert, die Existenz als jeweils eigene Staaten blieb aber zunächst unangetastet.
Zu Beginn der Einigungsverhandlungen befand sich Schottland in einer miserablen Ausgangsposition. Der Staat und große Teile seines Adels sowie seiner Bevölkerung waren nahezu bankrott, was die Schotten größtenteils England und in der Hauptsache dem Agieren König William III. of Orange, der von 1689-1702 regierte, zuschrieben.
Dieser hatte nicht unwesentlich zum Scheitern eines ambitionierten schottischen Kolonialprojektes in Mittelamerika beigetragen, wodurch ein Großteil des schottischen Kapitals vernichtet worden war.
Dieses Projekt, die sog. Darien-Expedtion, war der Plan, an der Engstelle Panamas - zwischen dem atlantischen und dem pazifischen Ozean - eine Art „Panamakanal zu Land“ aufzubauen.
Dabei sollte Schiffen, die Waren aus Indien und China transportierten und den Weg um das gefährliche Kap Hoorn vermeiden wollten, die Möglichkeit gegeben werden, an der Pazifikküste Panamas anzulegen. Von dort sollten die Waren auf dem Landweg zu einem Hafen an der Atlantikseite gebracht werden. Schottische Schiffe sollten die Waren dann weiter nach Europa transportieren.
Diese eigentlich geniale Idee schien zu Beginn auch ein Erfolg zu sein. Schnell wurde das dafür notwendige Mindestkapital von 500.000 Pfund aufgebracht. Die entsprechenden Anteile wurden zu je 50% in England und Schottland gezeichnet. William III. sah in diesem Projekt aber eine Gefährdung der englischen Kolonialinteressen und untersagte Engländern bei Strafandrohung sich an dem Projekt zu beteiligen, was viele Investoren bewog, sich wieder aus dem Projekt zurückzuziehen.
Der Initiator des Projektes, William Patterson, einer der Mitbegründer der Bank of England, gab sich aber noch nicht geschlagen und so wurde unter großen Mühen das Mindestkapital (dessen Höhe auf 400.000 Pfund herabgesetzt wurde) ausschließlich in Schottland aufgebracht.
Dies war für Schottland eine ungeheure Summe, nahezu 50% des gesamten in Schottland überhaupt verfügbaren Kapitals flossen in das Projekt!
So konnte am 18. Juli 1698 auch die erste Expedition in See stechen und landete im folgenden November im Zielgebiet.
Von nun an stand das Projekt unter keinem guten Stern mehr. Die Lage der Nahrungsmittelversorgung war fatal, da William III. es den englischen Kolonien in Nordamerika verbot, mit Darien, benannt nach dem dort ins Meer mündenden Fluss, zu handeln und Nahrungsmittel an die Siedler zu verkaufen. Darüber hinaus behinderte William den schottischen Handel insgesamt und außerdem beanspruchte Spanien das Gebiet für sich.
So musste die Siedlung schnell wieder aufgegeben werden und auch eine zweite Expedition scheiterte nach anfänglichen Erfolgen, am Widerstand der spanischen Nachbarn in Mittelamerika.
So war das Darien-Projekt schon etwa ein Jahr nach der Landung der ersten Expedition wieder beendet und in Schottland blieb ein enormer Verlust zurück – im Ergebnis waren 25-30% des gesamten schottischen Kapitals von Staat und Bevölkerung vernichtet worden.
Unter diesen Vorzeichen bot England Schottland im Gegenzug zu dessen Zustimmung zum Act of Union an, für die Verluste aufzukommen und die Investoren zu entschädigen.
Hieraus resultierte dann in der Folge die schottische Ansicht, England habe Schottland zunächst bewusst in den Ruin getrieben, um dann am Ende für wenig Geld die Kontrolle über den nördlichen Nachbarn zu erlangen.
Der Act of Union wurde schließlich am 1. Mai 1707 vollzogen und bis heute sind die beiden Staaten vereinigt, auch wenn Schottland seit 1999 wieder ein eigenes Parlament hat, dessen Kompetenzen allerdings auf die Regelung innerer Angelegenheiten beschränkt bleiben.
In der Folge des Act of Union kam es über den Zeitraum von etwas mehr als 50 Jahren mehrfach zu Versuchen, die schottische Unabhängigkeit wieder zu erringen, vor allem initiiert von den Anhängern des Hauses Stuart, das bis zu Absetzung James II. 1689, England, Schottland und Irland regiert hatte. Diese, nach der latinisierten Form des Namens James, Jakobiten genannten Stuart-Anhänger scheiterten aber mit allen Versuchen der Restauration des schottischen Throns für das Haus Stuart, so in den Jakobiten-Aufständen von 1708, 1715, 1719 und 1745 (wenn auch hier nur sehr knapp) sowie in den nicht über das Planungsstadium hinausgehenden Aufständen von 1722 und 1759.
Bis heute aber führen die Jakobiten die Erbfolge der Stuarts weiter. Nach ihrer Meinung ist der aktuelle Thronprätendent (und für die Jakobiten wahre König von Schottland, England un Irland), Franz II. von Bayern aus dem Hause Wittelsbach, der den Thron aber nie beansprucht hat.
Es bleibt auch äußerst zweifelhaft, ob es im Falle einer weitergehenden Unabhängigkeit Schottlands, die heute nicht mehr unmöglich erscheint, dazu kommen würde, dass die Erben der Stuarts auf dem schottischen Thron gelangen.

Fritsche Closener, Strassburgische Chronik: Judenpogrom in Straßburg (14. Februar 1439)

Donnerstag, den 14. Februar 2008

Do man zalte MCCCXLIX jor, do wurden die Juden zu Strasburg verbrent in eime kirchof uf eime hultzinen geruste, an sante Feltins tage; der viel des jores uf einen samesdag. Su wordent ouch des selben jores verbrant in allen steten uf deme Rine, es werent frie stette, oder des rieches, oder anderre herren. Dax geschach darumbe: man ziech su, su bettent brunen un andere wassere entsufert mit vergift. In etlichen steten brante man su mit urteil; in etlichen stieszent su die huser an mit fure, do su inne worent, un brantent sich selben. Do kam man zu Strosburg des uberein, daz in hundert joren kein Jude do solte geseszen sin.

Fritsche Closener, Strassburgische Chronik in: Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart (Bd. 1), Stuttgart, 1843 (nicht fiktiv)

Häufig in ihrer Geschichte mussten die Juden als Sündenböcke herhalten, wenn Dinge geschahen, die den einfachen Menschen unerklärlich erschienen. Verbrennung von Jueden während den Pogromen von 1439
So kam es auch zum Judenpogrom am Valentinstag 1349 in Straßburg, bei dem über 2000 Juden ermordet wurden.
Seit ungefähr zwei Jahren raste der Schwarze Tod durch Europa und raffte große Teile der Bevölkerung dahin. Da man keine Erklärung für diese Krankheitswelle hatte, begann man, den Juden nachzusagen, sie hätten die Brunnen vergiftet.
Vor diesem Hintergrund kam es zu schweren Judenpogromen in ganz Europa, beginnend 1348 in Savoyen, wo man unter Folter erpresste „Geständnisse“ von Juden zum Anlass nahm, viele jüdische Bürger zu töten. Schnell breitete sich die Welle der Judenpogrome aus, im Januar 1349 in Basel und im Februar desselben Jahres schließlich auch in Straßburg.
Dort hatte der Magistrat der Stadt zunächst noch versucht, die Juden zu schützen, musste sich am Ende aber dem Druck der Zünfte und vieler Einwohner beugen und duldete das nun folgende „Valentinstagsmassaker“ an der jüdischen Bevölkerung.
In Wirklichkeit standen hinter der Tat aber wohl vor allem wirtschaftliche Interessen. Viele der führenden Aufrührer hatten sich in der Vergangenheit besonders hoch bei Juden verschuldet und sahen nun eine Möglichkeit, sich dieser Schulden zu entledigen.
So wurde das Vermögen der Juden Straßburgs in der Folge unter den Zunftmitgliedern verteilt und manch ein Handwerker konnte sich daran massiv bereichern.
Auch der Straßburger Rat, sicherte sich große Teile des Vermögens und wurde so zum Nutznießer des Massenmordes.
In den nächsten Monaten setzte sich der Völkermord in vielen Städten, vor allem entlang des Rheines fort. In Mainz, wo zu dieser Zeit sogar die größte jüdische Gemeinde Europas lebte, sahen die jüdischen Bürger keine andere Möglichkeit mehr, als sich in ihren Häusern selbst zu verbrennen. Auch die Juden in Städten wie Freiburg, Köln, Brüssel, Antwerpen um nur einige Orte zu nennen blieben von Massakern nicht verschont.