Lingener Tageblatt: Wilhelm II. eröffnet den Dortmund-Ems-Kanal (11. August 1899)

11. August 2008

Heute ist es soweit, die Bauzeit von sieben Jahren ist zu Ende gegangen und das Reich verfügt über eine neue Wasserstraße, deren Bedeutung nicht in Worte zu fassen ist. Endlich wird es den deutschen Kohlebergwerken im Ruhrgebiet möglich sein, ihre kostbaren Schätze auch auf dem Wasserwege in das ganze Land zu transportieren. Die englische Kohle muss uns fortan nicht mehr interessieren, wir werden wieder auf gute deutsche Arbeit setzen und das Land mit deutscher Kohle versorgen.
Dieser neue Kanal öffnet uns den Weg zur Nordsee, von wo aus wir unseren Stahl in die ganze Welt verschiffen können. Das Ruhrgebiet wird durch diese Verkehrsanbindung noch an Bedeutung gewinnen! Keine andere Region in Europa, nein auf der ganzen Welt, wird mit dem Fortschritt des Reviers, der sich auch in Form dieses Kanals äußert, mithalten können!
Welch große Bedeutung dieser Kanal hat, wird auch dadurch unterstrichen, dass seine Majestät Kaiser Wilhelm II. persönlich zur Eröffnung dieses Wasserweges erschienen ist.

Die Lippebrücke des Dortmund-Ems-Kanals bei Datteln

Als Kaiser Wilhelm II. am 11. August 1899 den Dortmund-Ems-Kanal eröffnete war ein wichtiger Schritt für die Wirtschaft im Ruhrgebiet getan, denn von diesem Tag an verfügte das Ruhrgebiet über einen direkten Schiffahrtsweg zur Nordsee.
Der Dortmund-Ems-Kanal, der vom Dortmunder Hafen bis nach Meppen führt, ist für die Binnenschifffahrt nicht zu unterschätzen, vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war dieser Wasserweg von großer Bedeutung, da die Eisenbahn deutlich entlastet werden konnte und besonders die Stahlindustrie im östlichen Teil des Ruhrgebiets durch diese Anbindung an die Nordsee ihren Standortnachteil gegenüber den Werken am Rhein verringern konnte.
Der insgesamt 265 Kilometer lange Kanal ist ab der Schleuse Gleesen, südlich von Lingen, bis hin zur Nordsee, weitestgehend mit dem Verlauf der Ems identisch. Von hier an folgen nur noch wenige separate Kanalabschnitte, im übrigen Teil ist die Ems kanalisiert, sodass sie schiffbar ist.
Am Dortmund-Ems-Kanal ist auch Datteln gelegen, eine Stadt, in der gleich vier Wasserstraßen zusammentreffen: Datteln-Hamm-Kanal, Wesel-Datteln-Kanal, Dortmund-Ems-Kanal und Rhein-Herne-Kanal. Datteln ist damit einer der Knotenpunkte der deutschen Binnenschifffahrt.
Im Verlauf des Dortmund-Ems-Kanals befinden sich einige bauliche Besonderheiten, zum einen das Schiffshebewerk Henrichenburg bei Waltrop sowie die alte Fahrt, eine Gewölbebauwerk, das den Kanal über die Bundestraße B235 leitet.

(Das Bild zeigt die Lippebrücke des Dortmund-Ems-Kanals bei Datteln und basiert auf dem Bild Dek04.jpg aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist der Wikipedia User Markus Schweiß )

Marta Heberle: Erfurter Latrinensturz (26.Juli 1184)

26. Juli 2008

„Wäre es nicht so schrecklich, würde ich ja lachen – die feinen Herren haben es nicht anders verdient, aber ach zu schrecklich war es dann doch.
Und der König, der König war auch da, aber er ist nicht gestürzt. Ganz hilflos saß er da oben in einer Mauernische und kam nicht herunter – ganz wie ein kleines Kind, oder nein, wie eine Katze, die nicht mehr vom Baum herunter kommt. Hihi – aber nein, über ein solches Unglück sollte niemand lachen.“
„Beruhige Dich Marta! Was ist denn los, Du bist ja ganz durcheinander. Ich habe auch gehört, dass der König in die Stadt kommen wollte, aber damit haben wir doch nichts zu tun. Halt Dich bloß fern von diesen feinen Leute, das gibt doch nur Ärger und Scherereien!“
„Nein, mit denen lass ich mich nicht ein, was man davon hat, haben wir ja an der Hedwig gesehen – einfach sitzen gelassen hat der hohe Herr sie als sie schwanger war. Erst hat er sich mit dem jungen Ding vergnügt und dann hat er sie in den Dreck getreten – nein, nein so etwas passiert mir nicht!“
„Aber was war denn nun?“
„Vorhin am Brunnen habe ich die Gunda getroffen, die hilft doch manchmal in der Stadt in einer Schenke in der Küche aus, du weißt schon, wenn hoher Besuch erwartet wird. Und die Gunda hat mir erzählt, was heute in der Stadt passiert ist. Die feinen Herren waren alle auf der Burg versammelt, der König war auch da – stell Dir vor der König! Und sie alle sind in die Latrine gefallen!“
„In die Latrine?“
„Ja, der Boden ist gebrochen und dann saßen sie alle drunten in der stinkenden Grube! Nur der König nicht, der ist wie auf einem Thron im Gemäuer sitzen geblieben.“
„Gott beschütze den König!“
„Ja, ihm ist nichts geschehen, aber er ist auf sein Pferd gesprungen und aus der Stadt galoppiert, sobald er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Aber er hat viele seiner hohen Herren verloren. Gunda sagte, sie sind in der Scheiße erstickt. Stell Dir das einmal vor!“

Am 26. Juli 118 kam auf der Burg in Erfurt der königliche Hoftag unter Heinrich VI. zusammen, abweichende Berichte nennen die Domprobstei des Erfurter Marienstiftes als Versammlungsort. Heinrich VI., war der zweite Sohn Kaiser Friedrich I. Barbarossa und wollte in Erfurt einen Streit zwischen dem Mainzer Erzbischof Konrad I. und Landgraf Ludwig III. von Thüringen schlichten.
Aus diesem Anlass versammelte sich der König mit einem großen Gefolge und zahlreichen Bürgern von Erfurt in der erzbischöflichen Burg der Stadt. Dort traten sie im oberen Stockwerk, dessen Bodenbalken alt und morsch waren zusammen. Unter dem Gewicht der versammelten Menschen gaben die Balken schließlich nach, sodass zahlreiche Männer eine oder sogar zwei Etagen hinabstürzten. Alle, die nicht in den Fensternischen saßen, fielen in die seit längerer Zeit nicht entleerten Latrine, die sich unter dem Saal befand, und erstickten oder ertranken, andere wurden von herabstürzenden Balken erschlagen. Ein Teil der Verunglückten konnte mit großem Aufwand gerettet werden.
Zu den Opfern des Latrinensturzes von Erfurt gehörten unter anderem Heinrich von Schwarzburg, Friedrich von Abenberg, Burkard von Wartberg und Beringer von Mellingen.
König Heinrich VI. stürzte nicht hinab, da er in einer der Fensternischen gesessen hatte, von dort musste er mit Hilfe von Leitern gerettet werden.
Es wird berichtet, der König sei von diesem Ereignis dermaßen geschockt gewesen, dass er Erfurt umgehend verlassen habe.

Eine aufgeregte Menge in Florenz: Tod Papst Innozenz VIII. (25. Juli 1492)

25. Juli 2008

„Er hat Recht gehabt! Wieder! Hat er es nicht gesagt? Der Papst würde sterben! Dieser Mann ist ein Prophet!“

„Nur die Umkehr kann uns noch retten! Der Weltenbrand naht.“Papst Innozenz VIII.
„Kehret um, kehret um, wie es der große Savonarola Euch heißt. Nach Lorenzos hat er nun auch Innozenz’ Tod vorhergesagt.“

„Alles Unfug. Er hat nur gesagt, dass der Papst dieses Jahr noch sterben werde. Wie riskant war sie wohl diese ‚Prophezeiung’ angesichts des schlechten Gesundheitszustandes des Heiligen Vaters.“

„Die Welt ist verderbt und verloren. Es gibt keine Rettung mehr vor dem Weltenbrand. Sicher nur noch wenige Jahre, wenn das Jahrhundert zu Ende geht, dann geht es auch mit der Welt zu Ende – und mit uns. Nur er kann uns noch führen und retten, der große Savonarola.

„Krankheiten und Tod, Leid und Feuer. Alles hat er vorhergesehen. Ist er der wiedergekehrte Messias? Tuet Buße wie er es befielt.“

Am 25. Juli 1492 starb Papst Innozenz VIII. Angeblich war sein Sterbedatum vom Bußprediger Girolamo Savonarola exakt vorhergesagt worden, wie dieser für dasselbe Jahr auch schon den Tod von Lorenzo Medici vorhergesagt hatte.
Wahrscheinlich hatte Savonarola aber nur vorhergesagt, dass Innozenz noch im selben Jahr sterben werde, in dem auch Lorenzo Medici gestorben war.
Papst Innozenz war gesundheitlich schwer angeschlagen und so war die Vorhersage für Savonarola nicht allzu riskant, zumal der Zulauf, den sie im Eintrittsfall versprach ein kleines Risiko sicher wert war.
Der Papst, mit bürgerlichem Namen Giovanni Battista Cibo hatte den Stuhl Petri seit 1484 inne und war auf diesen vor allem durch geschickte Bestechung und Erpressung gewählt worden. Er war sicher ein Sinnbild für die Verderbtheit, die Savonarola im Klerus zu erkennen glaubte. An die Macht gelangt durch illegale Methoden und weniger durch den Einfluss den Heiligen Geistes, wie dies laut Kirchenlehre im Konklave der Fall sein soll, schwach und unfähig als Papst, mehr den fleischlichen Gelüsten als seinen geistlichen Aufgaben zugewandt - dieses Bild gab Innozenz ab. Er zeugte deutlich mehr als ein Dutzend Kinder. Auch liebte er den Luxus, was ihn immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten brachte, soweit, dass er die Mitra und die Tiara verpfänden musste.
Kirchenpolitisch fiel er vor allem durch seine Förderung der Inquisition auf, was sich in seiner Bulle Summis desiderantes affectibus, der sog. „Hexenbulle“ manifestierte, die dem frühmittelalterlichen Canon episcopi, in dem die Existenz von Zauberei und Hexen von der Kirche verneint und dem Aberglauben der Kampf angesagt worden war, entgegenstand. In seine Amtszeit fällt auch die Ernennung von Heinrich Institoris und Jacob Sprenger zu Inquisitoren für den deutschsprachigen Raum, was zu einem deutlichen Anstieg der Hexenprozesse führte. Auch fand sich die Bulle immer wieder als Teil und/oder Grundlage im von Heinrich Institoris herausgegebenen Hexenhammer.
Inwiefern Innozenz selbst dem Glauben an die Hexerei anhing ist umstritten. Angeblich soll er noch kurz vor seinem Tod Infusionen mit dem Blut von drei zehnjährigen Knaben erhalten haben, wovon er sich die Erlangung derer Jugend versprach.Der Bußprediger Girolamo Savonarola
Dem Papst gegenüber stand der charismatische Bußprediger Girolamo Savonarola, der in seinen Methoden aber nicht weniger zimperlich war als der Papst und in seinen Ansichten kaum weniger extrem.
Savonarola studierte zunächst Medizin, bevor er sich entschied, dem Dominikanerorden beizutreten. Schon bald predigte er gegen die „Verderbtheit“ der Welt, vor allem des Adels und des Klerus, was ihm, nach einer kurzen Phase mit wenig Zulauf, immer mehr die Massen zutrieb. Natürlich setzte ihn dies Konflikten mit den kritisierten Gruppen aus, vor allem mit den Päpsten, nach Innozenz’ Tod auch mit dessen Nachfolger Alexander, und aus dem Adel vor allem mit der in Florenz herrschenden Familie der Medici.
Nachdem 1494 die Franzosen in Florenz einmarschiert waren, trugen Savonarola und seine Anhänger maßgeblich zur Vertreibung der Medici aus der Stadt bei und der Prediger brachte de facto die Macht in der Stadt an sich.
In der Folge wurde Savonarola immer radikaler und wandte sich mehr und mehr gegen weltliche Dinge. Er veranlasste 1497 seine Anhänger zu massiven Plünderungen in Florenz, bei denen alle „Luxusgüter“ vernichtet werden sollten, angefangen von Büchern, deren Inhalt nicht seinen Vorstellungen entsprach, bis hin zu Schmuck, Kunstwerken, edler Kleidung und Musikinstrumenten. So fanatisch waren seine Anhänger, dass zum Beispiel der zu ihnen zählende Maler Sandro Botticelli seine eigenen Werke den Flammen überantwortete – oder wie andere Quellen sagen, nicht weil er Savonarola anhing, sondern, weil er wie viele andere auch, Angst vor der Gewalt der aufgestachelten Anhänger des Predigers hatte.
Sein zunehmender Fanatismus raubte Savonarola aber nach und nach viele Anhänger und vor allem auch die Unterstützung des französischen Königs Karl VIII. mit dem zusammen er noch wenige Jahre zuvor gegen den Papst gestanden hatte.
Im Mai 1497 wurde er von Papst Alexander VI. exkommuniziert und als Häretiker angeklagt.
Nachdem er auch in Florenz an Unterstützung verloren hatte konnte er schließlich gefangen genommen werden und wurde am 23. Mai 1498 hingerichtet. Er wurde zunächst erhängt und sein Körper danach verbrannt.
Genau 500 Jahre später leitete Papst Johannes Paul II. den Seligsprechungsprozess für Savonarola ein, die Vorstufe der Heiligsprechung – eine Rolle in der ihn auch schon Luther gesehen hatte, der einmal äußerte: „Ich verehre Savonarola als einen Heiligen“.

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