Archiv der Kategorie ‘Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‘


Tomasso und Maria Scialetto: Ausbruch des Vesuv (16.Dezember 1631)

Dienstag, den 16. Dezember 2008

Maria, Maria! Wo bist du? Geht es Dir gut? So antworte mir doch!
Seit Stunden habe ich sie, meine geliebte Maria, nicht mehr gesehen. Sie scheint wie vom Erdboden verschluckt. Seit das Feuer über uns gekommen ist, ist sie verschwunden. Heute hat sich das Tor zur Hölle geöffnet, um uns alle zu sich zu holen. Kein Gebet, kein Flehen und Bitten hat geholfen, zu schlimm sind unsere Sünden.
Schwarz, alles schwarz, ich kann kaum noch atmen. Es ist so heiß und schwarz und meine Maria scheint in die Hölle hinabgestiegen zu sein. Dabei war sie mir doch eine so gute Frau, nur auf die Kinder haben wir bisher vergebens gewartet. Soll dies nun die Strafe für unsere Kinderlosigkeit sein? Bitte nicht!
Maria, Maria! So antworte doch!
Da, ganz still – habe ich nicht etwas gehört. Da war es wieder, ganz leise und dumpf. Von da drüben muss dieses Geräusch kommen. Es hört sich an wie ein weinendes Kind.
Wer da? Wer ist da? Ganz ruhig, ich komme und helfe Dir. Nur einen Moment noch. Die Steine hier liegen im Weg.
Der Berg hat Steine zum Schmelzen gebracht und andere bis hierher in unser Dorf geschleudert. Jetzt versperren mir diese riesigen Brocken den Weg zum Schuppen oder eher gesagt zu dem, was bis gestern ein Schuppen gewesen ist. Da, ich sehe etwas. Eine rote Bluse, genau in der Farbe, die auch Maria heute getragen hat.
Maria, bist du es? Sag doch etwas! Gleich bin ich bei Dir!

Tomasso…
Ein Wunder, ein wahres Wunder! Maria, meine Maria lebt. Sie lebt! Hat sich nur verkrochen, nachdem die Steinbrocken durch die Luft geflogen kamen. Oh meine liebe Maria!

Eine Szene wie die obige ist nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, denn im Mittelalter kam die Vorstellung auf, dass der Vesuv durch den Ausstoß von Schwefel und kleineren Ausbrüchen der direkte Eingang zur Hölle sei. Auf eben dieser Sichtweise beruht die kleine Geschichte rund um Tomasso und Maria.
Am 16.Dezember 1631 brach der Vesuv aus und vernichtete fast alle Ortschaften an seinem Fuß. Rund 4000 Opfer sind zu beklagen. Insgesamt flüchten ca. 40.000 Menschen aus dem betroffenen Gebiet nach Neapel. Der Ausbruch dauert bis zum 18. Dezember 1631, erst dann kommt der Vulkan wieder zur Ruhe, der Ascheregen hat ein Ende und die Lavaströme erkalten allmählich.
Nach dem Ausbruch war der Vulkankegel etwa 100 Meter niedriger als zuvor und der Durchmesser des Kraters war 3000 Meter größer als vor der Eruption.
Dieser Ausbruch des Vesuvs war der größte seit der Verschüttung Pompejis im Jahr 79 n.Chr. und sollte dies auch vorerst bleiben.
Seit der Eruption aus dem Jahr 1631 ist der Heilige San Gennaro dafür zuständig, die Bevölkerung am Fuße des Vesuvs vor erneuten Ausbrüchen zu schützen. Dieser Tatbestand ist auf eine Prozession vom 17. Dezember 1631 zurückzuführen, als die Reliquien des Heiligen San Gennaro erstmals um Schutz angefleht wurden. Angeblich haben sich an dieser Prozession 100.000 Personen beteiligt.
Vor allem Unheil konnte der Heilige die Region nicht bewahren, denn auch in späteren Jahren kam es immer wieder zu Erruptionen
Die heutige Situation des italienischen Vulkans wird sehr unterschiedlich beurteilt, für einige Forscher handelt es sich um den gefährlichsten Vulkan Europas, der in den nächsten Jahren durchaus erneut ausbrechen könnte, für andere Geologen scheint es zur Zeit eine Ruhephase zu geben, in der keine akute Gefahr vom feuerspuckenden Berg ausgeht.

Ernst Dieringshofer, Sekretär: Genehmigung der ersten Litfaßsäulen in Berlin (5. Dezember 1854)

Freitag, den 5. Dezember 2008

Jawohl, wird sofort erledigt. Einen Augenblick bitte, ich werde die Abschrift umgehend anfertigen und Ihnen anschließend vorlegen.
Immer diese Eile. Doch es scheint sich um einen wichtigen Beschluss zu handeln, sonst würde der Polizeipräsident nicht soviel Aufmerksamkeit auf dieses Schriftstück verwenden. Vermutlich wurde ihm von diesem Herrn zugesetzt, diesem Verleger, der hier in regelmäßigen Abständen im Präsidium vorbeikommt, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.
Seine Idee mutet schon seltsam an. Er möchte Säulen in der ganzen Stadt aufstellen, die mit Plakaten beklebt werden sollen. Wozu denn nur? Die Plakate kleben doch längst an allen Wänden und Zäunen, da braucht Berlin nicht auch noch diese Säulen!
Vermutlich hat es dem Herrn Präsidenten nun endgültig gereicht und er hat eine deutliche Ablehnung formuliert. Nun ist es meine Aufgabe sie ins Reine zu bringen, damit sie dem Antragsteller überreicht werden kann.

Nun, das kann ich kaum glauben - aber der Polizeipräsident wird es wirklich zulassen, dass dieser Herr Litfaß seine Säulen in Berlin aufstellen darf. Erfindungen mögen ja eine gute Sache sein, doch in einigen Fällen sollte doch bedacht werden, wie sich eine solche Entwicklung auf das Stadtbild auswirkt. Aber wenn der Herr Polizeipräsident so entschieden hat, wird es schon seine Richtigkeit haben. Also, an die Arbeit…

Der Berliner Drucker und Verleger Ernst Litfaß erhielt am 5. Dezember 1854 vom Berliner Polizeipräsidenten Karl Ludwig von Hinkeldey die Genehmigung zum Aufstellen von 150 so genannten „Annoncier-Säulen“ in der Stadt.
Die erste dieser Säulen wurde am 15. April des Folgejahres in Berlin aufgestellt, am 1. Juli 1855 wurden der Öffentlichkeit dann insgesamt 100 „Annoncier-Säulen“ und 50 Brunnenumhüllungen präsentiert. In den folgenden Jahren ließ Ernst Litfaß weitere dieser Werbesäulen errichten. Der geschäftstüchtige Verleger hatte früh das Potential dieser Werbeträger erkannt und sich rechtzeitig das alleinige Recht auf Plakatierungen in Berlin gesichert, das er bis ins Jahr 1865 inne hatte. Durch diesen geschickten Schachzug sicherte er seinem Betrieb erhebliche Einnahmen.
Der Genehmigung zum Aufstellen der Werbesäulen in Berlin waren jahrelange Verhandlungen vorausgegangen, denn Ernst Litfaß war das in Berlin ständig zunehmende Wildplakatieren ein Dorn im Auge, sodass er den Behörden der Stadt den Vorschlag machte, an zentralen Orten Säulen aufzustellen, an denen Plakate angebracht werden könnten. Als der Polizeipräsident von Berlin im Dezember 1845 schließlich die Genehmigung erteilte, war diese an die Bedingung geknüpft, dass Litfaß nicht nur Werbeplakate publizieren durfte, sondern auch die neuesten Nachrichten aushängen musste.
Der Vorteil dieses neuartigen Mediums lag darin, dass sich die Auftraggeber sicher sein konnten, dass ihre Werbung für einen festgelegten Zeitraum an attraktiven Orten gut sichtbar war und nicht heruntergerissen oder durch andere Plakate überklebt wurde.
Es sollte nicht lange dauern, bis auch in anderen Orten in Deutschland an zentralen Plätzen und Kreuzungen derartige Säulen aufgestellt wurden, die zu Ehren des Berliner Verlegers bald unter der Bezeichnung Litfaßsäule im ganzen Land bekannt wurden. Noch heute gibt es in deutschen Städten mehr als 50.000 Litfaßsäulen, die mit Werbeplakaten beklebt sind oder auf kulturelle Veranstaltungen aufmerksam machen.

Rosalie Timber und Martha Greenwood: Die letzte Hinrichtung am Tyburn Galgen (3. November 1783)

Montag, den 3. November 2008

„Da hängt er nun und macht keinen Mucks mehr. Der Arme!“
„Haben Dich denn alle guten Geister verlassen, Rosalie?! Der Arme? Dieser Taugenichts und Dieb, der hat es doch nicht besser verdient!“
„Ach was weißt denn Du, Martha. Du hast einen guten Mann, der genügend Geld nach Hause bringt und Dir keinen Ärger macht. Du musst nicht jeden Morgen darüber nachdenken, wie Du Deine Kinder satt bekommst oder wie Du den Winter durchstehen sollst.“
„Aber Rosalie, dass ist doch keine Entschuldigung. Dieser John Austin kann doch nicht einfach hingehen und anderen Menschen ihr hart verdientes Geld abnehmen. Das ist doch nicht richtig!“
„Martha, schau Dich doch in den Straßen um, welche Möglichkeit bleibt den Menschen denn noch. Wenn sie nichts zu beißen haben, vergessen sie ihre moralischen Grundsätze. So ist das nun einmal auf der Welt.“


„Wo hast Du denn das gelesen oder warst Du wieder bei diesem Prediger in Mullhouse Lane? Der setzt den Menschen doch nur Flausen in den Kopf!“
„Nein, nein er ruft nur auf zum Denken, denn nicht alles muss so sein wie es ist. Wir können unseres Glückes eigener Schmied sein und dafür sorgen, dass es uns besser geht. Doch dafür müssen wir kämpfen!“
„Aber doch nicht mit den Mitteln dieses Diebes! Das kann doch nicht im Sinne dieses Priesters sein. Schließlich gibt es die Zehn Gebote nach denen wir leben sollen, das sagt jedenfalls Pater Browns jeden Sonntag in der Kirche.“
„Ja, da hast du recht Martha. So habe ich es nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, dass es manchmal so scheint, als ob die Umstände keinen anderen Ausweg erlauben und vielleicht hat John es so gesehen. Vielleicht hat er keinen anderen Weg gesehen als sich hier und da am Hab und Gut anderer zu vergreifen.“
„Hm, das mag sein. Aber es macht die Sache nicht besser, denn durch seine Taten wurden andere Menschen ins Unglück gestürzt. Denk an eine Familie – dem Vater wurde die Börse gestohlen nachdem er auf dem Markt Waren verkauft hat. Nun sitzt die Familie da ohne irgendetwas in der Hand. Die Ware ist fort und das Geld auch. Das ist doch kein Ausweg!“
„Nun, da hast Du vermutlich Recht. So hat muss er nun für seine Taten büßen.“
„Ja, da hängt er nun und tut niemandem mehr etwas zu Leide.“

Der Tyburn Galgen - Tyburn's Triple Tree

Am 3. November des Jahres 1783 war John Austin der letzte Mensch, der am Tyburn-Galgen gehenkt wurde, ein Straßenräuber, der zum Tod durch den Strick verurteilt worden war.
Der Tyburn-Galgen war nach einem kleinen Ort in Middlesex benannt worden, der heute einen Teil des Londoner Stadtbezirks City of Westminster bildet Vom 12. Jahrhundert bis zum Jahr 1783 war dieser Ort als der wichtigste Galgenplatz von London bekannt und berüchtigt.
Zu besonderen Bekanntheit gelangte Tyburn durch den so genannten Tyburn Tree, einem Galgen an dem gleichzeitig mehrere Opfer gehenkt werden konnten. Die Hinrichtungen am Tyburn-Galgen waren durch die Jahrhunderte ein beliebtes Spektakel bei weiten Teilen der Bevölkerung. Die Dorfbewohner von Tyburn erichteten große Tribünen, die den Schaulustigen, die in Massen zu den Hinrichtungen strömten, einen besonders guten Blick auf den Galgen ermöglichten.
Karte des Galgen in Tyburn
In Tyburn wurden überwiegend einfache Menschen hingerichtet. Diejenigen, die von Rang und Namen waren und zum Tode verurteilt wurde, wurden vor dem Tower hingerichtet. In Tyburn kam es im Laufe der Geschichte immer wieder zu Massenhinrichtungen, so zum Beispiel am 23. Juni 1649 als 23 Männer und eine Frau an diesem Galgen ihr Leben verloren.
Heute können Besucher von London sich an der Ecke Edgware Road und Bayswater Road einen Eindruck von der früheren Richterstatt verschaffen. Drei Messingtafeln erinnern heute an den Galgenplatz.