Archiv der Kategorie ‘Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‘


Friedrich II., der Große: Kartoffelbefehl (24. März 1756)

Montag, den 24. März 2008

Es ist von Uns in höchster Person in Unsern andern Provintzien die Anpflantzung der so genannten Tartoffeln, als ein nützliches und so wohl für Menschen, als Vieh auf sehr vielfache Art dienliches Erd Gewächse, ernstlich anbefohlen. Da wir nun bemercket, daß man sich in Schlesien mit Anziehung dieses Gewächses an den mehresten Orten nicht sonderlich abgiebet. Als habt Ihr denen Herrschaften und Unterthanen den Nutzen von Anpflantzung dieses Erd Gewächses begreiflich zu machen, und denselben anzurathen, daß sie noch dieses Früh-Jahr die Pflantzung der Tartoffeln, als einer sehr nahrhaften Speise unternehmen.

In der Mitte des 16. Jahhrunderts wurde die Kartoffel von Francisco Pizarro, einem spanischen Konquistador, aus Südamerika nach Europa gebracht. Von Spanien aus gelangte die Knolle 1565 auch nach Deutschland, wo sie aber zunächst wegen ihrer schönen Blüte bewundert wurde und dementsprechend Aufnahme in botanische Gärten und Gartenanlagen von Fürsten oder Geistlichen fand, die bedeutende ernährungstechnische Funktion der Kartoffel hatte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt. Vielmehr war sie viel zu kostbar, als dass man sie verzehren wollte. Hinzu kam, dass einige Versuche, die Knolle aus Südamerika zu verspeisen mit Magenbeschwerden und Vergiftungserscheinungen endeten, sodass der Kartoffel bald ein schlechter Ruf anhaftete.
Damit hinkten die Europäer den Völkern in Südamerika weit hinterher, denn hier wurden verschiedene Sorten kultiviert, die bereits hoch entwickelt und so den verschiedenen Anbauverhältnissen und Verwendungszwecken angepasst waren. Die Patata, wie die Kartoffel bei den Einheimischen genannt wurde, war vor allem in den kargen Landschaften der Anden ein Hauptnahrungsmittel.
Bis die Kartoffel Eingang in die europäischen Küchen fand, sollte einige Generationen dauern. In Irland wurde sie allerdings bereits zu Beginn des 17. Jahhrunderts in größerem Umfang angebaut und verzehrt. Gründe für diese für Europa führende Rolle im Kartoffelanbau sind mit der wirtschaftlichen Lage des Landes und den daraus resultierenden sozialen Verhältnissen zu erklären. Da Irland englische Kolonie war, musste große Teile der landwirtschaftlichen Produktion nach London geliefert werden, sodass weite Teile der Landbevölkerung Irlands in Armut lebten. Die Kartoffel brachte nun den entscheidenden Vorteil, dass sie größere Erträge als Getreide lieferte und auch in der Verabeitung leichter zu handhaben war als Getreide.
Auf Grund der isolierten Lage Irlands in Europa sollte es aber bis ins 18. Jahrhundert dauern, ehe andere europäische Staaten damit begannen, die Kartoffelpflanzen aus den Botanischen Gärten auf die Äcker der Bauern umzusiedeln.
Gemälde 'Der König überall von Robert Warthmüller' von 1886Im deutschen Gebiet wurden ab 1647 die ersten Kartoffeln als Nutzpflanzen kultiviert. In Preußen sorgte Friedrich II. mit Nachdruck für die Ausweitung des Kartoffelanbaus. Um seine Propagandamaßnahmen für die nahrhafte Knolle ranken sich zahlreiche Erzählungen, deren Wahrheitsgehalt nicht mehr vollständig zu überprüfen ist. So soll Friedrich zum Beispiel in der Umgebung von Berlin Kartoffelfelder anlegen lassen haben, die dann von Soldaten bewacht werden sollten. Allerdings hätten diese Wachsoldaten die Anweisung erhalten, sich schlafend zu stellen, um den Bauern aus der Umgebung die Entwendung der Bodenfrucht zu ermöglichen, denn diese sollten so auf den Geschmack der Kartoffel gebracht werden und sie in der Folge selbst anbauen. Ob diese Anekdote nun der Wirklichkeit entspricht bleibt dahingestellt. Sicher ist aber, dass Friedrich II. seit 1750 mehrere Versuche unternommen hat, um den Kartoffelanbau in Preußen zu verbreiten. Zu diesen Maßnahmen gehörte die kostenlose Ausgabe von Saatgut sowie die Überwachung des Anbaus durch Soldaten. Mit seiner Circular-Ordre vom 24. März 1756 die den Kartoffelanbau anordnete, verschaffte er diesem schließlich den Durchbruch auf deutschem Boden.
In der direkten Folge wurde die Kartoffel für die einfachere Bevölkerung zur Hauptnahrungsquelle, was sich zunächst positiv auswirkte, indem die durch den Dreißigjährigen Krieg gesunkene Bevölkerungszahl wieder anstieg. Doch für weite Bevölkerungsteile wurde die Kartoffel schließlich zur nahezu einzigen Nahrungsquelle was bei Missernten zu Hungersnöten führte, da dann die Preise für andere Nahrungsmittel wie Brot in unermessliche Höhen stiegen, was wiederum eine Folge des geringer gewordenen Getreideanbaus zu Gunsten der Kartoffel war.

(Das Bild zeigt das Gemälde ‘Der König überall von Robert Warthmüller’ aus dem Jahr 1886)

Otto von Bismarck: Schulaufsichtsgesetz (11. März 1872)

Dienstag, den 11. März 2008

Otto von Bismarck über den Sinn des Kulturkampfs in einer Rede vor dem preußischen Herrenhaus am
10. März 1873:
Otto von Bismarck mit Pickelhaube„Die Frage, in der wir uns befinden, wird meines Erachtens gefälscht, und das Licht, in dem wir sie betrachten, ist ein falsches, wenn man sie als eine konfessionelle, kirchliche betrachtet.
Es ist wesentlich eine politische; es handelt sich nicht um den Kampf, wie unsern katholischen Mitbürgern eingeredet wird, einer evangelischen Dynastie gegen die katholische Kirche, es handelt sich nicht um den Kampf zwischen Glauben und Unglauben, es handelt sich um den uralten Machtstreit, der so alt ist wie das Menschengeschlecht, um den Machtstreit zwischen Königtum und Priestertum, den Machtstreit, der viel älter ist als die Erscheinung unseres Erlösers in dieser Welt, den Machtstreit, in dem Agamemnon in Aulis mit seinen Sehern lag, der ihm dort die Tochter kostete und die Griechen am Auslaufen verhinderte, den Machtstreit, der die deutsche Geschichte des Mittelalters bis zur Zersetzung des Deutschen Reiches erfüllt hat unter dem Namen der Kämpfe der Päpste mit den Kaisern, der im Mittelalter seinen Abschluß damit fand, daß der letzte Vertreter des erlauchten
schwäbischen Kaiserstammes unter dem Beil eines französischen Eroberers auf dem Schafott starb und dass dieser französische Eroberer im Bündnis mit dem damaligen Papste stand.
Dieser Machtstreit unterliegt denselben Bedingungen wie jeder andere politische Kampf, und es ist eine Verschiebung der Frage, die auf den Eindruck auf urteilslose Leute berechnet ist, wenn man sie darstellt, als ob es sich um Bedrückung der Kirche handelte. Es handelt sich um Verteidigung des Staates, es handelt sich um Abgrenzung, wie weit die Priesterherrschaft und wie weit die Königsherrschaft gehen soll, und diese Abgrenzung muss so gefunden werden, dass der Staat seinerseits dabei bestehen kann. Denn in dem Reiche dieser Welt hat er das Regiment und den Vortritt.“
(nicht fikitv)

Mit dem Schulaufsichtsgesetz, das am 11. März 1871 erlassen wurde, unterstellte Bismarck zusammen mit seinem Kultusminister Adalbert Falk alle Schulen der staatlichen Aufsicht und drängte damit die evangelische und katholische Kirche aus der Schulinspektion hinaus. Mit diesem Gesetz wurde die geistliche Aufsicht über sämtliche Schule beseitigt. Die Aufsicht über das höhere Schulwesen lag bereits seit 1787 beim Staat, in diesem Bereich vertreten durch das Berliner Oberschulkollegium.
Durch diese Maßnahme von 1872, die als ein Teil des Kulturkampfes, der zwischen Bismarck als Vertreter Preußens und der katholischen Kirche unter Papst Pius IX. in der Zeit zwischen 1871 und 1878 ausgetragen wurde, anzusehen. Als der Kulturkampf 1878 schließlich beigelegt wurde, wurden zahlreiche Gesetze dieser Zeit revidiert, das Schulaufsichtsgesetz war allerdings eines der wenigen Gesetze, das unangetastet blieb.
Dorfschule
Mit dem Schulaufsichtsgesetz handelte sich Bismarck die Ablehnung durch die Zentrumspartei und die evangelischen Konservativen Partei in Preußen ein.
Grund für die Verabschiedung des Schualaufsichtsgesetzes war, dass in den Teilen Preußens, in denen die polnischsprachige Bevölkerung dominierte der Unterricht von Geistlichen meist in der Muttersprache der Schüler abgehalten wurde, was zum Unmut Bismarcks führte, da es in seinem Bestreben lag, die deutsche Sprache in ganz Preußen zu verbreiten. Mit dem Gesetz versuchte er nun, die Geistlichen aus dem Unterricht zu verdrängen und damit die polnische Sprache in der Schule einzuschränken. Gleichzeitig fürchte Bismarck den Einfluss der Kirche auf den Staat und versuchte diesen dementsprechend einzugrenzen, sodass das Schulaufsichtsgesetz durchaus auch in diesem Zusammenhang gesehen werden kann, da es nun gelang, den Einfluss der katholischen Kirche bereits an der Wurzel des Volkes einzudämmen und zu kontrollieren.

Spontaner Gesang Jenenser Studenten: Proklamation der Farben Schwarz-Rot-Gold zu den deutschen Nationalfarben (9. März 1848)

Sonntag, den 9. März 2008

Wir hatten gebauet
ein stattliches Haus
und drin auf Gott vertrauet
trotz Wetter, Sturm und Graus.

Wir lebten so traulich,
so innig, so frei,
den Schlechten ward es graulich,
wir lebten gar zu treu!
Sie lugten, sie suchten
nach Trug und Verrat,
verleumdeten, verfluchten
die junge grüne Saat!

Was Gott in uns legte,
die Welt hat’s veracht’t,
die Einigkeit erregte
bei Guten selbst Verdacht!

Man schalt es Verbrechen,
man täuschte sich sehr;
die Form kann man zerbrechen,
die Liebe nimmermehr.

Die Form ist zerbrochen,
von außen herein,
doch, was man drin gerochen,
war eitel Dunst und Schein.

Das Band ist zerschnitten,
war Schwarz, Rot und Gold,
und Gott hat es gelitten,
wer weiß, was er gewollt!

Das Haus mag zerfallen –
was hat’s dann für Not?
Der Geist lebt in uns allen,
und unsre Burg ist Gott!

(‚Wir hatten gebauet’ von Daniel August von Binzer, 1819)

Fahne der Urburschenschaft auf der Wartburg

„Eben so werden die Bundesfarben der deutschen Vorzeit zu entnehmen seyn,
wo das deutsche Reichspanier schwarz, roth und golden war.“

wurde am 9. März 1848 vom Bundestag des Deutschen Bundes hinsichtlich der zukünftigen Fahne des Bundes beschlossen.
Damit nahm der Deutsche Bund Farben an, die aus einer Tradition stammten, die ihm eigentlich entgegen stand, war doch der Deutschen Bundestag ein Gremium von Fürstenvertretern und die erste bekannte Erwähnung des Dreiklang der Farben Schwarz-Rot-Gold stammt aus einem Lied, das der Burschenschafter Daniel August von Binzer zur erzwungenen Auflösung der Jenenser Urburschenschaft.
Diese Auflösung resultierte aus den Karlsbader Beschlüssen vom August 1819, in denen sich neben dem Verbot der Burschenschaften, deren Ziel es war, in Deutschland liberale und demokratische Reformen zu erreichen, auch ein Verbot der öffentlichen schriftlichen Meinungsfreiheit, die Überwachung der Universitäten, die Schließung der Turnplätze, die Zensur der Presse und die Entlassung mit einhergehendem Berufsverbot für liberal und national gesinnte Professoren fanden.
Dennoch wurden diese Farben, die die Jenenser Urburschenschaft führte, zu den deutschen Nationalfarben.
Die Geschichte der Farben geht, auch wenn man sie in der Nennung Schwarz-Rot-Gold, erst in dem eingangs genannten Lied findet, weiter zurück.
So bezog sich die Urburschenschaft bei der Wahl ihrer Farben auf die Uniform des Lützowschen Freikorps, einer bedeutenden Freiwilligeneinheit während der Befreiungskriege gegen die Napoleonische Besetzung.
Man kann die Farbkombination aber noch weiter zurückverfolgen, bis hin zum Wappen des Heiligen Römischen Reiches, das zu Beginn des 14. Jahrhunderts einen rotbewehrten goldenen Schild mit Schwarzem Adler zeigte.
Nach 1819 wurden die Farben mehr und mehr zum Symbol sowohl der deutschen Demokratie- als auch der Burschenschafterbewegung (trotz des Verbots der Burschenschaften, das bis April 1848 Geltung hatte) und so finden sie sich auch immer wieder als Symbol, wie zum Beispiel beim Hambacher Fest 1832 (meist allerdings nach burschenschaftlicher Tradition von unten, getragen, also so, dass das Schwarz den unteren Teil der Fahnen ausmachte).
Hambacher Fest 1832
Eine der ältesten Fahnen, die diese Farben (als Rot-Schwarz-Rot mit goldener Perkussion und goldenem Eichenlaub) zeigte gehörte ebenfalls der Urburschenschaft und kann heute auf der Wartburg in Eisenach betrachtet werden, die seit dem Wartburgfest von 1817 immer wieder ein beliebter Versammlungsort studentischer Korporationen war.
Die Farben blieben auch das Symbol der Revolution von 1848, deren Ziel es war, ein gesamtdeutsches Reich zu schaffen. Der Versuch der Inanspruchnahme der Farben durch die Fürsten des Deutschen Bundes misslang in der Folge und die Farben standen weiterhin vor allem für republikanisch-antimonarchistische Kräfte, deren Ziel die Errichtung eines demokratischen deutschen Nationalstaates war, woran auch ihr zeitweiliges Verbot nach dem Scheitern des Versuches einer Reichsgründung durch die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche nichts ändern konnte.
Bis heute stehen so Farben symbolisch für Deutschland und waren und sind seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 die Farben aller deutschen Staaten, mit Ausnahme des Dritten Reiches als die Nationalsozialisten Schwarz, Weiß und Rot zu ihren Farben machten.