Archiv der Kategorie ‘Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‘


Harry Wernberg: Räumung der „Republik Freies Wendland“ (4. Juni 1980)

Mittwoch, den 4. Juni 2008

„An die Bullen! Wenn Ihr hier mit Euren Wasserwerfern vorbeikommt, dann gießt gleich unsere Pflanzen ganz sacht und gleichmäßig. Und wehe, es ist Chemiescheiße im Wasser - pfui! Dies ist ein biologischer Garten.“ (Text eines Hinweisschildes – nicht fiktiv)

So, jetzt habe ich das Schild befestigt, das muss ja so mal in aller Deutlichkeit gesagt werden, schließlich wollen wir nichts Böses oder Schlimmes. Wir wollen auf die Gefahren aufmerksam machen, die uns allen drohen, wenn hier das verwirklicht wird, was die Regierung plant. Unsere Kinder und Enkel werden diesen Fehler ausbaden müssen. Das wollen wir mit unserem friedlichen Protest verhindern. Hoffentlich hat auch die Polizei ausreichend Humor, um den gut gemeinten Ratschlag an unserem Gemüsegarten, zu würdigen und wird nicht wutentbrannt alles niederreißen.

In der Nähe des niedersächsischen Ortes Gorleben, auf der so genannten Borstelle 1004 errichteten im Mai 1980 Demonstranten und Atomkraftgegner ein Dorf und sogar einen Staat: Die „Republik Freies Wendland“.
Am 3. Mai 1980 versammelten sich in Niedersachsen unweit von Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg rund 5000 Menschen, um den Kampftag der Wenden, einem Stamm, der Ursprünglich im Wendland siedelte, zu begehen. Die Wenden waren für ihren Kampfgeist, den sie gegenüber der Christianisierung entwickelten, bekannt. Die Demonstranten zogen bis zum Platz, der für das so genannte Bohrloch 1004 vorgesehen war, hier sollte eine rund 250 Meter tiefe reichende Bohrung vorgenommen werden, um zu klären, ob der Salzstock bei Gorleben geeignet ist, Atommüll darin zu lagern. An dieser Stelle sollte das Atommüllendlager der Bundesrepublik Deutschland entstehen.
Bereits in dem Moment, als diese Überlegung bekannt gegeben worden war, wurden Proteste organisiert, sodass der Protestmarsch vom 3. Mai 1980 nicht die erste Aktion von Atomkraftgegnern und Demonstranten aus den umliegenden Gemeinden war. Doch mit der Errichtung eines Hüttendorfes am Bohrplatz 1004 erreichten die Proteste eine neue Dimension. Die Demonstranten zeigen, dass sie nicht nur vorübergehend protestieren, sondern gewillt sind, zu bleiben. Sie gehen sogar soweit, ihre eigene Republik auszurufen.
Rund 300 Menschen lebten dauerhaft in diesem Dorf, an den Wochenenden erhielten sie regen Zulauf von Tausenden Gleichgesinnten. Wer die „Republik Freies Wendland“ verlassen wollte, musste ein Schild passieren, das die Aufschrift trug: „Halt, BRD. Vorsicht, Schusswaffen“.
Am 4. Juni 1980 marschierten schließlich mehrere Hundertschaften der Polizei und des Bundesgrenzschutzes auf, um die rund 2000 Demonstranten aus dem neu gegründeten Dorf zu entfernen. Die Demonstranten ließen sich widerstandslos wegtragen, da sie sich dem Grundsatz der Gewaltfreiheit verschrieben hatten. Am Abend des 4. Juni war der Platz geräumt und mit Stacheldraht eingezäunt, die „Republik Freies Wendland“ war damit Geschichte.

Hartwig auf dem Felde: Constitutio de feudis (28. Mai 1037)

Mittwoch, den 28. Mai 2008

Die Rechte der einfachen Vasallen wurden gestärkt. Ein bemerkenswerter Schachzug unseres Kaisers, der sich mit dieser Taktik der Unterstützung des niederen Adels sicher sein kann. Wer weiß schon, wozu diese Unterstützung einst noch gut sein wird. Mit Sicherheit hat sich der Kaiser etwas bei seinem Vorgehen gedacht, das über die momentane Situation hinausgeht.
Abzuwarten bleibt, welche Auswirkungen die Entscheidung über die Erblichkeit der Lehen auch für die kleinen Vasallen in den nächsten Jahren haben wird. Mit Sicherheit wird diese Gruppe erstarken und sich zu Höherem berufen fühlen, ich kann es förmlich vor mir sehen, wie so ein ungehobelter Bauer aus der Provinz auf einmal an den Hof kommt und immer mehr Rechte für sich einfordert.
Noch bin ich mir nicht schlüssig, ob der Triumph über diesen aufsässigen Erzbischof es wert war, das Risiko einer weitreichenden gesellschaftlichen Umschichtung in Kauf zu nehmen. Aber vielleicht irre ich mich ja auch und alles bleibt weitgehend wie es zur Zeit ist.
Vielleicht ergibt sich für eine wie mich durch diese Veränderung aber auch eine großartige Chance. Vielleicht werden mehr Herren den Anspruch stellen, einen weltoffenen und modernen Haushalt zu führen, sodass ich mit meiner Laute und meinen Liedern ein größeres Publikum erreichen kann. Jetzt werde ich auf jeden Fall an den nächsten großen Hof ziehen, um diese sensationelle Neuigkeit aus Italien weiterzugeben. Der Burgherr und seine Vertrauten werden mir für diese Nachricht aus der Hand fressen und besonders großzügig sein. Und die Hofdamen erst – sicherlich werde ich die nächsten Nächte nicht alleine verbringen. Welch herrliche Aussicht. Wenn es danach geht, darf der Kaiser gerne häufiger von sich Reden machen, denn dann steigt das Interesse an meinen Diensten rasch an.

Am 28. Mai 1037 erließ Konrad II. während der Belagerung Mailands ein Gesetz, das die Rechtsverhältnisse der Lehnsträger regeln sollte. Die Bischöfe in Norditalien hatten durch die Schenkung zahlreicher Ländereien und anderer Güter eine mächtige und weitgehend selbständige Stellung erreicht, die sich in erster Linie auf ihre Vasallen stützte. Da die Bischöfe ihre Besitzungen nicht alleine verwalten und bewirtschaften konnten, vergaben sie sie an Lehnsmänner, die als Gegenleistung bestimmte Dienste verrichten mussten, so z.B. den Kriegsdienst. Diese Vasallen, Capitane genannt, hatten in den meisten Fällen eine gesicherte Stellung gegenüber ihren Herren, da durch den Kriegsdienst eine enge Bindung zwischen ihnen bestand. So hatten die Capitane in der Regel die Erblichkeit ihrer Lehen durchgesetzt. Sie selber verwalteten die ihnen überlassenen Lehen nur in Einzelfällen. Zumeist vergaben sie diese an Unter- oder Aftervasallen, die später als Valvassoren bezeichnet wurden. Diese Untervasallen verfügten über keine abgesicherte Stellung gegenüber ihren Herren, vielmehr waren sie deren Willkür ausgeliefert; so konnten ihnen sogar ihr Lehen entzogen werden.
Diese Situation war die Hauptursache für die Unruhen der Jahre 1035 bis 1037. Direkter Auslöser war Aribert II., Erzbischof von Mailand, der 1035 einem Vasallen sein Lehen entzogen hatte. Daraufhin entstand der so genannte Valvassorenaufstand, der sich nicht allein auf Mailand beschränkte, sondern auch auf die umliegenden Gebiete übergriff.
Anfang des Jahres 1037 erreichte Konrad II. mit seinem Heer Mailand, den Ausgangspunkt der Unruhen.
Nur kurze Zeit nach der Ankunft des Kaisers brach ein Tumult aus. Dieser war die Folge eines Gerüchts, das besagte, Konrad II. habe Mailand das Bistum Lodi entzogen. Die Mailänder befürchteten eine Schmälerung ihrer Interessen, wogegen sie lautstark protestierten. Außerdem forderten die Valvassoren die Anerkennung ihrer Gleichstellung. Zu einer Entscheidung in diesem Fall aber fehlte es dem Kaiser sowohl an einem vollständigen Überblick über die Situation als auch an ausreichend Truppen, die im Falle eines gewaltsamen Einschreitens nötig gewesen wären. Aus diesen Gründen zog sich der Kaiser vorerst nach Pavia zurück, wo er Mitte März einen Hoftag abzuhalten gedachte. Auf dem Hoftag in Pavia wurden die Übergriffe Ariberts angeklagt und es kam zum endgültigen Bruch zwischen dem Kaiser und dem Erzbischof von Mailand. Aribert, der wegen Hochverrats verhaftet wurde, gelang schließlich die Flucht nach Mailand. Die Vorbereitungen auf eine kämpferische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Erzbischof wurden von beiden Seiten vorangetrieben.
Zu einem direkten Aufeinandertreffen der beiden Parteien kam es zunächst nicht. Stattdessen verwüsteten und brandschatzten die kaiserlichen Truppen auf ihrem Weg nach Mailand die Umgebung. Drei Meilen entfernt von der Metropole errichteten sie ihr Lager. Immer wieder wurden Angriffe auf die Stadt verübt oder Ausfälle der Belagerten pariert. Keine der beiden Seiten konnte einen durchschlagenden Erfolg erringen, sodass der Belagerungszustand noch bis Ende Mai anhielt.
Kurz vor dem Abbruch der Belagerung erließ Konrad II. am 28. Mai 1037 Lehnsgesetz - Constitutio de feudis.
Das Gesetz zielt auf die Gleichstellung und Sicherung der Rechte aller Lehnsträger von Reichs- und Kirchenlehen ab. Im Wesentlichen enthält es folgende Aspekte: die Sicherung des Besitzes der Vasallen gegen willkürliche Handlungen der Seniores wie Verdrängung vom Lehen oder Veräußerung des Lehens, außerdem wurde die Erblichkeit der Lehen garantiert.
Mit diesem Gesetz wird die Stellung der Untervasallen rechtlich abgesichert. Es wird festgelegt, dass Inhaber von Reichs- und Kirchenlehen ihren Besitz nicht ohne eindeutigen Schuldnachweis und den Urteilsspruch ihrer Standesgenossen verlieren konnten. Diese Bestimmung hatte auch rückwirkende Geltung, betraf folglich auch das von Aribert eingezogene Lehen, das Auslöser der Unruhen gewesen war.
Beiden Parteien, sowohl dem Lehnsmann als auch dem Lehnsherrn, wurde durch die Konstitution das Recht eingeräumt, im Streitfalle das königliche Gericht anzurufen. Bei den großen Vasallen fungierte der König persönlich als oberster Richter.
Eine bedeutende Neuerung in Bezug auf das bisherige Verfahren war auch die aufschiebende Wirkung der Urteilsschelte. Der Vasall blieb laut Gesetz bis zum endgültigen Urteilsspruch im Besitz des Lehens. Das bedeutete, dass der Senior nicht mehr das Recht besaß, das Lehen sofort einzuziehen, auch wenn das Urteil letztendlich für ihn sprach.
Außerdem wurde in der Constitutio de feudis festgelegt, dass der Senior nicht ohne Zustimmung des Vasallen über die Lehen verfügen darf, weder durch Tausch, Prekarie noch libellarische Verleihung.
Ein weiterer wesentlicher Punkt des Gesetzes Konrads II. ging auf die Forderung der Vasallen nach der Erblichkeit ihrer Lehen ein. In der Urkunde vom 28. Mai 1037 wurde die Vererblichkeit schriftlich fixiert. Die Lehen waren im Mannesstamme erblich. War kein Sohn vorhanden, so folgte der Enkel. Sollte weder ein Sohn noch ein Enkel vorhanden sein, erbte der Bruder des Lehnsträgers. Dessen Anspruch auf das Lehen ergab sich aus dem gemeinsamen Vater. Beim Übergang des Lehens an einen Erben war die gewohnheitsrechtliche Abgabe von Pferden und Waffen an den Herrn zu entrichten.
Das Gesetz zielt auf die Gleichstellung und Sicherung der Rechte aller Lehnsträger von Reichs- und Kirchenlehen ab. Im Wesentlichen enthält es folgende Aspekte: die Sicherung des Besitzes der Vasallen gegen willkürliche Handlungen der Seniores wie Verdrängung vom Lehen oder Veräußerung des Lehens, außerdem wurde die Erblichkeit der Lehen garantiert.
Jeder Verstoß gegen dieses Gesetz sollte mit einer Strafe in Höhe von 100 Pfund Gold belegt werden. Diese Summe war jeweils zur Hälfte an den Geschädigten und an die kaiserliche Kammer zu entrichten.
Mit diesem Gesetz zeigt Konrad II. deutlich, auf wessen Seite er in dem Konflikt steht. Die Bischöfe der Lombardei, besonders Aribert, wurden durch die Bestimmungen hart getroffen, da diese ihrer willkürlichen und unterdrückenden Haltung den Vasallen gegenüber entgegenwirkten. Sowohl die Begünstigung der Markgrafen als auch das Eingehen auf die Forderungen der Valvasoren stellten einen großen Rückschlag für die Politik der lombardischen Bischöfe dar.
Gleichzeitig erzielte die Constituto de feudis eine andere Wirkung, nämlich Aribert die Vasallen abspenstig zu machen und zugleich für die Interessen Konrads zu gewinnen.
Zu erwähnen ist außerdem die Absicht des Kaisers, die Aussöhnung der Lehnsherren und der Vasallen zu erreichen und damit ihre militärische Stärke zu erhalten, die dem Senior bzw. im Endeffekt auch dem Kaiser dienen sollte.

Johann Friedrich Kaltensee: Hambacher Fest (27.Mai 1832)

Dienstag, den 27. Mai 2008

Unser Vaterland, das einige Deutschland soll hochleben! Es leben alle diejenigen hoch, die auf den Bund der Freiheit schwören, diesem vertrauen und sich zum Ziel gesetzt haben, mit ganzer Kraft für ihr Vaterland einzustehen!
Brüder und Schwestern der Freiheit, heute ist ein großer Tag, der vollkommen im Zeichen der Freiheit und der Einheit steht. Reckt Eure Fahnen empor und zeigt den Stolz auf unser Vaterland, den Ihr alle tief in Euch tragt!
Lasst Euch nicht abbringen von Eurem Weg in die Freiheit, in eine neue Zukunft, in der die Völker einig und friedlich zusammenstehen. Mut und entschlossener Wille sind gefragt, lasst Euch diesen Willen durch niemanden nehmen!
Meine Brüder und Schwestern, Deutschland – unser Vaterland - es lebe hoch!

Hambacher Fest - Zug zum Hambacher Schloß

Am 27. Mai 1832 zogen 20 000 bis 30 000 Menschen zum Hambacher Schloss bei Neustadt hinauf; so viele Menschen hatten sich in Deutschland vor 1848 noch nie versammelt. Beim Aufzug zum Schloss sangen sie politische Leider und führten „deutsche“ Fahnen, in den Farben schwarz-rot-gold mit sich. Die seit der Französischen Julirevolution von 1830 vorherrschende Stimmung war von Unruhe geprägt, die auch im Deutschen Bund zu spüren war. Immer wieder gab es kleiner Aufstände, die zum großen Teil politischer Natur waren.
Am 26. Mai 1832, dem Verfassungstag, wurde zum Konstitutionsfest auf dem Hambacher Schloss geladen. Dies wollten die Anführer der pfälzischen Oppositionsbewegung nicht unkommentiert geschehen lassen und luden ihrerseits für den 27. Mai 1832 zu einer Gegenveranstaltung am selben Ort ein. Angeführt wurde diese Bewegung von Philipp Jakob Siebenpfeiffer (Publizist) und Johann Georg August Wirth (Jurist und Schriftsteller), den Begründern des „Preß- und Vaterlandsvereins“, der das Ziel hatte, die Bevölkerung auf Zensurmaßnahmen und die Druckverbote aufmerksam zu machen. Das von Siebenpfeiffer und Wirth angestrebte Fest wurde durch die Regierung umgehend verboten, was eine Welle der Empörung in der Bevölkerung zur Folge hatte, da das Volk sein Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt sah. Im Zuge der Proteste sah sich der zuständige Regierungspräsident dazu gezwungen, das Fest doch zu genehmigen.
Am 27. Mai 1832 erfolgte der Aufstieg zum Hambacher Schloss in Form eines Festzuges. Es wurden Reden gehalten, in denen die deutschen Kleinstaaten und die Unterdrückung des deutschen Volkes durch die Fürsten angeprangert wurden. Zugleich wurden Plädoyers für die nationale Einheit Deutschlands vorgetragen. Die Festlichkeiten dauerten bis zum 30. Mai 1832 an.
Die Teilnehmer des Festes glaubten, dass allein die Verbreitung ihrer Ideen reiche, um eine Bewegung auszulösen, die vom gesamten deutschen Volk getragen wurde, mit der Folge, dass die Regierenden ihre Positionen kampflos an die Nachfolgenden übergeben. Doch die nationale Begeisterung, die während des Hambacher Festes so deutlich zum Ausdruck gekommen war, verflüchtigte sich in der Konfrontation mit den politischen Realitäten der deutschen Staatenwelt bereits nach kurzer Zeit. Der österreichische Staatskanzler Clemens Fürst von Metternich zeigte sich empört über das Hambacher Fest und schickte Truppen in die Pfalz, die dort für Ruhe und Ordnung sorgen sollten. Siebenpfeiffer wurde vor Gericht gestellt, aber zunächst freigesprochen, schließlich doch wegen Beamtenbeleidigung zu zwei Jahren Haft verurteilt, aus der er bereits im November 1833 mit Hilfe von Freunden über das Elsass in die Schweiz fliehen konnte.
Auf Grund der staatlichen Repressalien, wie z.B. die in Mainz eingerichtete Behörde zur politischen Untersuchung, konnten sich viele Demokraten und Republikaner nur noch aus dem Exil äußern, da sie in Deutschland Verfolgung und Verhaftung zu fürchten hatten. So wurde dafür gesorgt, dass zumindest oberflächlich bis 1848 Ruhe herrschte.

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