Archiv der Kategorie ‘Osteuropäische Geschichte‘


Ein Feiernder: Litauen stimmt in einem Referendum für die Unabhängigkeit von der Sowjetunion (9. Februar 1991)

Samstag, den 9. Februar 2008

Das Landeswappen LitauensFreiheit! Freiheit! Wir haben das Sowjetjoch abgeworfen. Endlich. Heute wird gefeiert.
Die Jahre der Unterdrückung, die Jahrzehnte der Demütigung unter den Diktatoren des Sowjetregimes sind bald vorbei.
Nie wieder Kommunismus. Nie wieder Gesinnungsfolter! Nie wieder Unterdrückung!
Es ist Zeit zu feiern. Heute machen wir den Tag zur Nacht.
Nach diesem Referendum wird alle Welt unseren langgehegten Wunsch nach Freiheit akzeptieren.
Wir haben keine Angst mehr vor den Sowjets, vor Moskau. Nie wieder einen Blutsonntag. Auch ein weiterer Putschversuch wird uns nicht wieder unter das sozialistische Joch zwingen.
Sollen sie nur kommen. Wir haben uns entschieden. Es gibt kein zurück. Vilnius und unser ganzes Land wählt die Freiheit.

Am 9. Februar 1991 entschieden sich die Bürger Litauens, mit einer Mehrheit von 90,5%, für eine Unabhängigkeit von der Sowjetunion.
Ein halbes Jahrhundert hatten die Bürger des Landes die Unterdrückung durch Nazi-Deutschland und die Sowjetunion erdulden müssen.
Dem Referendum zur Unabhängigkeit vorausgegangen waren ein Jahr zuvor die ersten freien Wahlen seit der Besetzung durch die Sowjetunion. Diese hatte bereits die Freiheitsbewegung „Sajudis“ für sich entscheiden können. Kranzniederlegung anlässlich eines Jahrestags des Vilniusser Blutsonntags durch Staatspräsident Valdas Adamkus
Noch im Januar 1991 hatten aber kommunistische Kräfte versucht mit einem Putsch das Land wieder unter ihre Diktatur zu zwängen. Der Putschversuch gipfelte im Vilniusser Blutsonntag, bei dem mehr als ein Dutzend Menschen von den Putschisten ermordet und weit mehr als 1000 schwer verletzt wurden.
Mit dem Referendum war die Freiheit aber noch nicht endgültig gewonnen. Der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow erkannte die Unabhängigkeit nicht an.
Einheiten der OMON, einer Spezialeinheit der russischen Milizstreitkräfte, griffen litauische Grenzposten an und töteten mehrere Grenzer. Ein offener Krieg drohte, konnte aber noch verhindert werden.
Erst im August, nachdem reaktionäre kommunistische Putschisten auch in Moskau versucht hatten Michail Gorbatschow zu stürzen und seine Reformen (vor allem die durch Perestroika und Glasnost errungenen Fortschritte) rückgängig zu machen, wurde Litauen von der Welt als unabhängig anerkannt.
Litauens Weg nach Westen, der im NATO- und EU-Beitritt 2004 mündete, hatte begonnen.

Tagebuch eines Frontsoldaten: Kapitulation der 6. Armee unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus in Stalingrad (31. Januar 1943)

Donnerstag, den 31. Januar 2008

23. August 1942
Der Himmel war schwarz vor deutschen Bombern. Solch einen gewaltigen Luftangriff werden die Russen sicher nie vergessen. Stalingrad liegt in Schutt und Asche. Nicht mehr lang und wir werden die Stadt hinter uns lassen, um weiter in den Osten vorzudringen.
22. September 1942
Nun halten sich die Kommunisten schon fast einen Monat und es hat nicht den Anschein, als ob wir sie heute noch aus der Stadt vertreiben würden. Doch immerhin scheint es gelungen zu sein am heutigen Teil den Süden der Stadt endgültig zu besetzen.
1. November 1942
Langsam aber sicher schwinden unsere Kräfte. Zahlreiche Kameraden sind bei Straßengefechten gefallen – unsere Reihen lichten sich deutlich. Hoffentlich erhalten wir bald Verstärkung.
Soldaten bei der Schlacht von Stalingrad
23. November 1942
Wir sind eingekesselt. Die Rote Armee hat den Ring um die Stadt geschlossen. Hoffentlich tüfteln die Oberen einen schlagkräftigen Plan aus, um uns aus dieser misslichen Lage zu befreien, denn lang werden wir es in diesem Trümmerhaufen nicht aushalten.
5. Januar 1943
Hunger, so unerträglich. Meine Gedanken kreisen fast ununterbrochen um etwas zu essen. Was würde ich nicht alles für ein Stück Brot geben. Viele meiner Kameraden sind in den letzten Tagen von uns gegangen. Dabei wurden sie nicht Opfer russischer Angriffe, sondern sind elendig verhungert. Holt uns doch endlich hier raus! Wo bleibt die Verstärkung, die Befreiungsarmee, sie muss doch schon vor den Toren der Stadt stehen und den russischen Kessel endlich durchbrechen.
31. Januar 1942
Gestern habe ich gehört, dass Generalfeldmarschall Paulus die Lage als aussichtslos bezeichnet haben soll und heute hat er tatsächlich kapituliert. Was wird jetzt aus mir? Werde ich noch jemals dazu kommen, hier ein paar Zeilen zu notieren?

Die Schlacht von Stalingrad (heute Wolgograd) gilt als Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Begonnen hatte die Schlacht mit dem Angriff der 6. Armee auf Stalingrad, sie endete mit der Niederlage der eingekesselten deutschen Truppen, womit gleichzeitig das Vordringen der deutschen Armee nach Russland gestoppt worden war.
In dieser Schlacht, die zu den größten des Zweiten Weltkriegs zählt, wurden rund 700.000 Menschen getötet, zu den Opfern zählten sowohl Soldaten als auch Zivilisten. Deutsche Soldaten in Stalingrad auf dem Weg in die Kriegsgefangenschaft
Ziel der Deutschen war es mit der Einnahme der Stadt Stalingrad einen wichtigen Nachschubweg zu unterbrechen. Vor allem der Wasserweg über die Wolga, an der die Stadt gelegen ist, war von strategischer Bedeutung, da über die Wolga vor allem Rüstungsgüter aus den USA transportiert wurden. Außerdem sollte durch die Einnahme der Stadt an der Wolga das weitere Vordringen der Wehrmacht in den Kaukasus abgesichert werden, um an die dortigen Ölfelder zu gelangen.
Der Angriff auf Stalingrad erfolgte unter dem Befehl des Generaloberst Friedrich Paulus (kurz vor der Kapitulation wurde er zum Generalfeldmarschall ernannt). Er hatte den Befehl über die 6. Armee sowie über Teile der 4. Panzerarmee. Am 23. August 1942 erfolgte ein Luftangriff der Deutschen zu hohen Verlusten auf Seiten der Russen, unter den Opfern waren zahlreiche Zivilisten, da Stalingrad auf Befehl Stalins nicht evakuiert worden war. In der Stadt fanden in der Folge zähe Kämpfe statt, nicht nur um einzelne Straßenzüge oder Häuserblocks, sondern um einzelne Häuser, teilweise sogar um einzelne Wohnungen. Dennoch konnten die deutschen Truppen im November die stark zerstörte Stadt an der Wolga zum größten Teil unter ihre Kontrolle bringen. An diesen deutschen Erfolg schloss sich die russische Gegenoffensive an, die zu einer Rückeroberung Stalingrads durch die Russen führte. Bei der so genannten Operation Uranus, gelang es den Russen, einen Ring um die Stadt zu legen und die Deutschen auf diese Weise einzukesseln. Seit dem 22. November 1942 war Stalingrad vollständig von russischen Truppen eingekesselt und die deutschen Truppen damit von Nachschub bzw. Verstärkung abgeschnitten. Die Heeresgruppe Don versucht im Dezember in der Operation Wintergewitter nach Stalingrad vorzudringen, scheitert aber, sodass Hitler schließlich alle Versuche, den Kessel zu durchbrechen, untersagt. Als Paulus am 08.Januar 1943 auf Befehl Hitlers ein Ultimatum zur Kapitulation verstreichen lässt, beginnen die Russen mit der Einnahme der Stadt. Am 30. Januar erkennt Paulus die Ausweglosigkeit der Lage und teilt Hitler mit, dass der Zusammenbruch innerhalb von 24 Stunden zu erwarten sei. Am 31. Januar 1943 muss der Südteil der eingeschlossenen Truppen unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus kapitulieren. Am 2. Februar stellten auch die restlichen noch verbliebenen Truppenteile im Norden der Stadt die Kampfhandlungen ein.
Durch die großen Verluste, die beide Seiten in dieser Schlacht zu beklagen hatten, ist die Schlacht von Stalingrad zum Sinnbild des Schreckens des Krieges geworden.

Ein anonymer Arbeiter: St. Petersburger Blutsonntag (22. Januar 1905)

Dienstag, den 22. Januar 2008

Hier wehen sie, unsere Fahnen, wir sind eine schier unüberschaubare Zahl. 150.000 sagen die einen, 200.000 die anderen. Aber wer hat uns schon gezählt. Auf die Zahl aber kommt es auch nicht an. Worauf es ankommt, ist das, wofür wir stehen. Für ein neues Russland, ein anderes Russland. Endlich, endlich ist es soweit. Schaut nur, meine Genossen, schaut zur rechten und zur linken. Von allen Seiten, aus allen Straßen und Gassen, kommen sie, schließen sich uns an. Demonstrationszug am St. Petersburger BlutsonntagSie alle haben genug davon, ausgebeutet zu werden. Tag für Tag schinden wir uns an den Maschinen, in den Kohlegruben, auf den Feldern für die Industriellen, für die Grundbesitzer. Aber wofür? Damit wir am Ende doch wieder nur einen unseligen Krieg finanzieren? Einen verlieren wir doch gerade erst. Mit Erfolgen wollten sie von unseren Problemen ablenken, mit Erfolgen gegen das kaiserliche Japan. Aber was ist geschehen? Verloren haben wir diesen Krieg und das Volk, wir einfach Arbeiter, wir darben mehr als zuvor. Aber dem muss nun ein Ende gesetzt werden. Wir verlangen nicht viel. Aber wir müssen leben können, unter menschenwürdigen Bedingungen. Wir müssen frei unsere Meinung äußern können, ohne Angst vor Verfolgung durch die staatlichen Behörden, durch die Ochrana. Das Volk muss eine Stimme bekommen. Ohne uns gäbe es keine Industrie, keine Arbeit würde getan. Kein Kapital erwirtschaftet. Er hat schon Recht, auch wenn er ein Pope ist, aber er weiß, was die Arbeiter bewegt, dieser Georgi Gapon. Den Zaren wollen wir nicht absetzen. Seht Ihr, Genossen, da vorne führen sie sogar ein Bild des Zaren mit sich. „Gebt dem Kaiser was des Kaisers“, so sagt es immer Georgi. Aber wir sagen auch: „Gebt dem Arbeiter, was dem Arbeiter“. Gleich haben wir schon das Narwa-Tor erreicht, gleich sind wir da. Aber da stehen Soldaten! Warum? Wir wollen keinen Kampf, keinen Konflikt, keinen Hader. Nur unsere Bittschrift wollen wir überreichen.
Einige Stunden später:
Was ist geschehen? So friedlich war unser Zug! Und dann das. Plötzlich… Schüsse, Schreie, Blut. Zu meiner Rechten geht mein Kollege zu Boden. Getroffen von einer Kugel. Der halbe Schädel fehlt. Auch vor mir fällt einer. Überall Panik. Schreie, Menschen rennen, sie fliehen. Warum? Warum wird auf uns geschossen? Wer gab den Soldaten den Befehl uns zu töten? Nur wenige Schritte vor mir fiel diese junge Frau zu Boden. Kurz zuvor habe ich sie noch ein Bild des Zaren Nikolaus in die Höhe recken sehen. Nun liegt das Bild am Boden, gleich neben ihr. Menschen trampeln in ihrer wilden, heillosen Flucht über ihren toten Körper. Auch das Bild liegt zertreten im Schlamm. Rot gefärbt hat sich dieser Schlamm rings um uns, der noch vor wenigen Stunden weißer Schnee war, so unschuldig. Nun zeigt er den Tod. Wieder Schüsse. Ich muss auch hier weg, muss auch fliehen. Meine Kinder, meine Frau, sie brauchen mich. Kann nicht hier bleiben. Ich darf nicht sterben. Aber wir werden nie aufgeben. Nicht, bis wir unter menschenwürdigen Bedingungen leben dürfen. Nicht bevor wir eine Stimme bekommen. Diese Bilder. Ich werde sie nie aus meinem Kopf bekommen. Der Tod so vieler unschuldiger Menschen. Ja, wir kommen wieder. Aber das nächste Mal wird es anders sein. Im Frieden scheint es nicht zu gehen. Dann muss es der Kampf sein. Kampf bis wir Gerechtigkeit erlangen – oder den Tod.

Am 22. Januar 1905 zogen ca. 140.000 Menschen (andere Quellen sprechen teils von deutlich niedrigeren, teils von deutlich höheren Zahlen) in friedlicher Absicht in Richtung des Winterpalastes in St. Petersburg, um dem russischen Zaren Nikolaus II. eine Bittschrift zu überreichen. Ihr Ziel war es, bessere Arbeitsbedingungen für die Arbeiter zu erreichen. Eine Agrarreform sollte die Landbevölkerung entlasten und die Erträge gerechter zwischen den Großgrundbesitzern und den Landarbeiten verteilen. Eine konstitutionelle Monarchie nach britischem Vorbild sollte dem Volk zu einer Stimme in der Politik verhelfen. Zur Überreichung der Bittschrift an Nikolaus kam es aber gar nicht erst. Als der Demonstrationszug das Narwa-Tor erreichte eröffneten die dort befindlichen Soldaten ohne Vorwarnung das Feuer auf die Menge. Die Opferzahlen variieren stark, von wenig mehr als 100 bis zu über 1000. Eine abschließende Klärung ist wohl nicht mehr möglich. In der Folge des Petersburger Blutsonntags kam es zu Ausschreitungen und quasi-revolutionären Zuständen. Auch außenpolitisch stand Russland unter Druck. Der Krieg gegen Japan, der eigentlich begonnen worden war, weil man sich von schnellen Erfolgen eine Ablenkung von den Problemen im Inneren des russischen Zarenreiches erhoffte, wurde zum Desaster. Mit dem Oktobermanifest, in dem ein Zweikammernparlament eingeführt wurde, die Duma, und in dem sich weitere Zugeständnisse hinsichtlich der Forderungen der Aufständischen fanden, verschaffte sich die Monarchie eine Ruhepause. Die Bestimmungen des Oktobermanifestes blieben aber im Alltag ohne Folgen. Der Zar herrschte weiterhin nahezu unangefochten. Zar Nikolaus II
Ein Jahr nach dem Petersburger Blutsonntag, 1906, stellte sich sogar noch heraus, dass der Anführer der Demonstranten, der orthodoxe Priester Georgi Gapon, in Wirklichkeit ein Agent Provocateur des russischen Geheimdienstes, der Ochrana war. Also ein Staatsdiener, dessen Aufgabe es war, Handlungen zu provozieren, die in Unruhen und Ausschreitungen mündeten und dadurch wiederum der Ochrana Argumente zur Stärkung ihrer Position brachten. Er wurde am 11. April 1906 ermordet. Der Auftrag dazu kam von der sozialistisch-revolutionären Partei, die in ihm einen Verräter an der sozialistischen Revolutionsidee sah. Als ein Treppenwitz der Geschichte erscheint, dass sich später auch der, von der sozialistisch-revolutionären Partei mit der Planung des Mordes betraute, Jewno Asef, sogar einer der Gründer der Partei, seinerseits als Agent Provocateur entpuppte.

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