Neue Reichszeitung: “Hottentottenwahl” (25. Januar 1907)
Freitag, den 25. Januar 2008
Alle politische Agitation hat nicht geholfen! Den Sozialisten ist es trotz allen ihren Versuchen, das Deutsche Volk zu spalten nicht gelungen, ihre Mandate zu erhalten. Zwar hat die SPD an ihren Stimmenanteilen nur leidlich wenig eingebüßt, aber durch ihr geschicktes, entschlossenes und geeintes Vorgehen ist es den reichstreuen Kräften gelungen, die Mandatszahl der Sozialisten im Deutschen Reichstage fast zu halbieren. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass sich das deutsche Volk nicht durch plumpe sozialistische Demagogie lenken lässt. Nun kann das Reich weiterhin eine Politik der Bewahrung und Ausdehnung seiner gerechtfertigten Interessen in Afrika betreiben. Es bleibt eine patriotische Pflicht aller deutschen Parteien, den Kampf gegen die aufständischen Hottentotten zu unterstützen.
Seit 1904 erhoben sich in Deutsch-Südwestafrika (dem heutigen Namibia) die indigenen Völker, vor allem die Herero und die Nama gegen die Unterdrückung durch der deutschen Kolonialherrschaft. Nachdem die kleine und schlecht ausgerüstete deutsche Truppe in Südwestafrika den Aufständischen nur wenig entgegenzusetzen hatte, wurde die Kriegsführung einem Expeditionskorps unter Generalleutnant von Trotha übergeben. Von Trotha lies die deutschen Truppen mit äußerster Rücksichtlosigkeit und Brutailtät gegen die einheimischen Stämme vorgehen. Heute sind die Ereignisse, in deren Verlauf 60-80% der Herero-Bevölkerung ausgelöscht wurde als Genozid anzusehen. Auch in Deutschland erhob sich Widerstand gegen das völkermordende Vorgehen der deutschen Truppen in Afrika. In der Parteienlandschaft manifestierte sich dies vor allem bei der SPD und bei Teilen des ZENTRUMs. Durch die Stimmen dieser Parteien kam es zu einem Parlamentsentscheid gegen einen Nachtragshaushalt, mit dem weitere Mittel für den Krieg in Deutsch-Südwestafrika zur Verfügung gestellt werden sollten. Dies führte zur Auflösung des Reichstages durch Reichskanzler von Bülow auf Anweisung von Kaiser Wilhelm II.
Bei den am 25. Januar folgenden Reichstagswahlen erlangte die SPD (mit kleinen Verlusten) zwar den deutlich höchsten Stimmenanteil aller Parteien. Bedingt durch das Mehrheitswahlrecht und geschickte Wahlabsprachen gelang es den an der Fortsetzung des Kolonialkrieges interessierten Parteien aber, die Anzahl der Mandate der SPD auf nahezu die Hälfte des Wertes von vor den Wahlen zu drücken. Als Wahlsieger ging der von-Bülow-Block der Parteien aus der Wahl hervor, die sich hinter Reichskanzler von Bülow geschart hatten und für eine Zustimmung zum Nachtragshaushalt standen. Entsprechend wurde diesem in der Folge zugestimmt. Dem Reichskanzler brachte dies aber wenig Glück. Bereits ein Jahr später verlor er in Folge der Daily-Telegraph-Krise deutlich an Ansehen und mußte 1909 zurücktreten. Der Name “Hottentottenwahl” enstammt der abfälligen Bezeichnung der eingeborenen Völker Namibias als “Hottentotten”.
Sie alle haben genug davon, ausgebeutet zu werden. Tag für Tag schinden wir uns an den Maschinen, in den Kohlegruben, auf den Feldern für die Industriellen, für die Grundbesitzer. Aber wofür? Damit wir am Ende doch wieder nur einen unseligen Krieg finanzieren? Einen verlieren wir doch gerade erst. Mit Erfolgen wollten sie von unseren Problemen ablenken, mit Erfolgen gegen das kaiserliche Japan. Aber was ist geschehen? Verloren haben wir diesen Krieg und das Volk, wir einfach Arbeiter, wir darben mehr als zuvor. Aber dem muss nun ein Ende gesetzt werden. Wir verlangen nicht viel. Aber wir müssen leben können, unter menschenwürdigen Bedingungen. Wir müssen frei unsere Meinung äußern können, ohne Angst vor Verfolgung durch die staatlichen Behörden, durch die Ochrana. Das Volk muss eine Stimme bekommen. Ohne uns gäbe es keine Industrie, keine Arbeit würde getan. Kein Kapital erwirtschaftet. Er hat schon Recht, auch wenn er ein Pope ist, aber er weiß, was die Arbeiter bewegt, dieser Georgi Gapon. Den Zaren wollen wir nicht absetzen. Seht Ihr, Genossen, da vorne führen sie sogar ein Bild des Zaren mit sich. „Gebt dem Kaiser was des Kaisers“, so sagt es immer Georgi. Aber wir sagen auch: „Gebt dem Arbeiter, was dem Arbeiter“. Gleich haben wir schon das Narwa-Tor erreicht, gleich sind wir da. Aber da stehen Soldaten! Warum? Wir wollen keinen Kampf, keinen Konflikt, keinen Hader. Nur unsere Bittschrift wollen wir überreichen.