Tagesarchiv für den 21. April 2008

Stimmen zur Einweihung der neuen brasilianischen Hauptstadt Brasilia (21. April 1960)

Montag, den 21. April 2008

„Das ist nicht Brasilien! Hier werden wir niemals heimisch werden, es fehlt jedes Leben und jeder Flair. Wie sollen wir lebenslustigen Menschen in dieser Wüste aus Stahl, Glas und Beton jemals leben wie wir es gewohnt sind?“

„Ein Wunderwerk der Architektur. Klar, strukturiert, wohl überlegt und präzise in die Tat umgesetzt. Absolut wegweisend.“

„Hoffentlich finde ich hier eine Arbeit, ich habe den langen Weg aus meinem Dorf hierher zu Fuß zurückgelegt, weil ein Mann von der Regierung in mein Dorf kam und uns Arbeit in der neuen Hauptstadt versprochen hat. Nein, eine Adresse oder einen Namen hat er nicht genannt. Ich werde mich selbst auf die Suche machen, aber hier, in dieser neuen Stadt, wird es viel zu tun geben, da werde ich auch etwas finden.“

„Schöne neue Welt, so könnte man Brasilia beschreiben. Ein Herz ohne Leben. Es wird nun Aufgabe der kommenden Generationen sein, dem Herzen des Landes Leben einzuhauchen!“

Um die Bevölkerung in Brasilien besser zu verteilen wurde 1956 mit der Errichtung der Stadt Brasilia im Landesinnern, im Bereich des zentralen Hochplateaus begonnen. Die beiden Architekten Lucio Costa und Oscar Niemeyer gestalteten die Stadt, für deren Grundriss die Form eines Flugzeuges gewählt wurde. Zunächst wurden der Präsidentenpalast, verschiedene Ministerien und Gebäude für andere zentrale Institutionen errichtet. Bald darauf folgten die Universität und die Kathedrale, die das Stadtbild bis heute maßgeblich prägt. Im Jahr 2001 konnte schließlich der erste Streckenabschnitt der U-Bahn von Brasilia eingeweiht werden.
Heute leben in der brasilianischen Hauptstadt rund 200.000 Menschen, im Ballungsraum um Brasilia herum sogar ca. 2,3 Millionen. Doch zunächst hatte es Probleme gegeben, Menschen aus Rio de Janeiro nach Brasilia zu locken, sodass die Regierung eine Regelung ausgab, nach der jeder Staatsbeamte und Diplomat bis zum 7. September 1972 in der neuen Hauptstadt eine Wohnung nachweisen musste, wollte er nicht seine Stellung bzw. Immunität verlieren.
Die Pläne, eine neue Hauptstadt zu schaffen, gehen in Brasilien bis in das 19. Jahrhundert zurück, 1891 wurde in dieses Vorhaben sogar in der Verfassung festgeschrieben. Nur zwei Jahre später wurde bereits ein Gebiet abgegrenzt, in dem 1922 die Grundsteinlegung stattfand. Das Problem, dass dieses zentral gelegene Gebiet mit sich brachte, war seine Isolation. Noch in den 1950er Jahren verlief die nächste befestigte Straße in mehr als 600 Kilometern Entfernung, der nächst gelegen Bahnhof befand sich 125 Kilometer entfernt und ein Flugplatz war knapp 200 Kilometer weit entfernt. So verwundert es nicht, dass die Entwicklung der neuen Hauptstadt, die Rio de Janeiro ablösen sollte, sehr schleppend anlief.
Heute ist Brasilia vorwiegend von der Mittel- und Oberschicht geprägt, Arbeiter und einfache Angestellte leben zum überwiegenden Teil in den Vorstädten. Ein ausgeprägtes kulturelles Leben wird in Brasilia bisher vergebens gesucht, da es keine traditionell verankerten Einrichtungen gibt und viele Regierungsangestellte die Wochenenden lieber in anderen Städten des Landes verbringen.
Seit 1987 gehört Brasilia auf Grund seiner Bedeutung für die Architekturgeschichte zum UNESCO-Weltkulturerbe.